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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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jedoch unrealistisch schien. Ihre Wut auf mich war in meinen Augen jedenfalls übertrieben.
    Charlie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie wird sich schon wieder einkriegen.« Er zog den Schlüssel aus der Zündung. »Ich will unser Gespräch nicht abbrechen, aber lass uns drinnen weiterreden.«
    Ich weiß nicht, ob ihm Sex vorschwebte, vermutlich war es so, und dazu kam es dann auch: Wir betraten meine Wohnung, er drückte mich zärtlich an sich, und kaum einen Augenblick später pressten wir uns atemlos aneinander, voller Ungeduld, um die Anspannung und das Gespräch von uns abzuschütteln. All die Worte, es waren so viele gewesen, aber jetzt gab es nur noch seinen Körper auf meinem, seine Erektion in mir, die Stoßbewegungen unserer Becken. Es mag animalisch klingen, aber gibt es etwas Besseres, um ein Paar wieder ins Gleichgewicht zu bringen, als Sex?
    Als wir fertig waren, kuschelte er sich an meinen Rücken und sagte: »Ich will für dich da sein, dich beschützen, immer auf dich aufpassen«, und nun konnte ich meine Tränen nicht länger zurückhalten.
    »Ich wünschte, das könntest du«, sagte ich. »Ich wünschte, jeder könnte das für einen anderen Menschen tun.«
    »Dreh dich um«, sagte er, und nachdem ich es getan hatte, sagte er: »Ich liebe dich, Alice.« Mit dem Daumen wischte er mir eine Träne weg.
    »Ich liebe dich auch«, sagte ich, und die Worte schienen nicht genug, um meine Zuneigung, Dankbarkeit, Erleichterung, meine mit Schuld behaftete Vorfreude auf alles, was vor uns lag, auszudrücken. Wie war es zu all dem hier gekommen? Gott sei Dank, dass es dazu gekommen war.
    »Was du mir im Auto erzählt hast, ist ziemlich heftig«, sagteer. Wir sahen uns an, und er streichelte meine Hüfte durch das Laken. »Aber von jetzt an wird alles einfacher. Alles wird gut.«
     
    Am nächsten Morgen, ich war gerade dabei, einen Pinsel auszuwaschen, mit dem ich Yertle the Turtles Panzer bemalt hatte, rief meine Großmutter an. »Charlie ist phantastisch«, sagte sie.
    Ich war verblüfft. »Verschaukelst du mich?«
    »Nun, seine politischen Ansichten sind haarsträubend, was daran liegt, dass er schon viel zu lange am Rockzipfel der Konservativen hängt. Aber ich bin mir sicher, dass du ihn dazu bringen wirst, die Dinge so zu sehen, wie wir es tun.«
    »Granny, er kandidiert für den Kongress … als Republikaner.«
    »Er hat nicht den Hauch einer Chance, mein Schatz. Der alte Wincek hatte den Sechsten Bezirk schon im Griff, da warst du noch nicht einmal geboren. Ich halte das Ganze mehr für so eine Art Initiationsritus in der Blackwell-Familie und weniger für einen ernsthaften Versuch, zu gewinnen. Warum soll er sich also nicht daraus befreien? Aber er ist verrückt nach dir, so viel steht fest.«
    »Und abgesehen von dem politischen Kram gefällt er dir?«
    »Er ist hinreißend. So lebendig, so gute Manieren … Oh, er ist wirklich ein guter Fang. Und deine Mutter sieht das ganz genauso. Momentan bringt sie gerade deine Aussteuer in Ordnung. Apropos, habe ich dir das mit Lars nicht gleich gesagt?«
    »Ja, hast du.«
    »Was er da am Esstisch gesagt hat, mit seinen Blähungen – es ist gewiss nicht Lars’ weltmännische Art, die deine Mutter an ihm reizt, aber wir sollten es ihr nicht verdenken, dass sie ein wenig Spaß haben möchte.«
    »Du hast es herausgefordert, Granny.«
    Sie lachte. »Nun ja, vielleicht ein bisschen.«
    »Ich bin froh, dass dir Charlie gefällt«, sagte ich.
Auch
, dachte ich,
wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht
.
    »Alice, halt diesen jungen Mann gut fest.« Sie klang begeistert.»Du hast jemanden gefunden, den man nicht wieder ziehen lässt.«
     
    In der Woche darauf, es war die letzte freie Woche vor Schulbeginn, transportierte ich meine Pappmaché-Figuren in die Bibliothek. Ich musste zweimal fahren, um sie alle, vorsichtig übereinandergestapelt, in meinem Ford Capri unterzubringen. Außer Charlie hatte sie bisher zwar noch niemand gesehen, aber ich war mir fast sicher, dass sie genau so geworden waren, wie ich es mir vorgestellt hatte. Selbst Babars Kopf blieb – dank der Idee mit dem Haken – jetzt oben.
    Ich war gerade dabei, Eloise auf einem Regal zu positionieren, als ich eine tiefe Stimme sagen hörte: »Die sind bezaubernd, Alice.«
    »Big Glenn!« So nannten an der Liess alle, sowohl Lehrer als auch Schüler, den Hausmeister, einen enorm großen schwarzen Mann Anfang siebzig, der bereits seit über fünfzig Jahren an der Schule angestellt war. Ich lief

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