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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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und du hattest vollkommen recht. Mit der sauren Sahne im Teig ist er viel besser.«
    »Das kann ich nur bestätigen«, sagte Lars. »Also, wenn ich heute Morgen beim Aufstehen gewusst hätte, dass mir im Laufe des Tages der Sohn des Gouverneurs von Wisconsin gegenübersitzen würde, hätte ich meinen Fotoapparat mitgebracht. Wenn ich das am Montag in der Post erzähle, werden alle ganz aus dem Häuschen sein.« An Charlie gewandt, fügte er hinzu: »Dort arbeite ich, in der Filiale auf der Commerce Street.«
    Ich zwang mich, nicht in Verlegenheit zu geraten.
    »Sie wären erstaunt zu hören, wohin selbst die Menschen in Riley Post verschicken«, sagte Lars gerade. »Kürzlich hat ein Mann ein Paket bis nach Brüssel in Belgien geschickt.«
    »Wo Audrey Hepburn geboren wurde«, sagte meine Großmutter.
    Niemand sagte etwas darauf, und Charlie, den Lars’ Arbeit weder zu stören noch zu interessieren schien, fragte: »Mrs. Lindgren, habe ich die Gelegenheit für ein Stückchen Apfelstrudel verpasst?«
    »Ganz und gar nicht.« Meine Mutter sprang auf. »Alice?«
    »Für mich nicht, aber ich helfe dir«, sagte ich.
    Eine mit Folie abgedeckte Platte stand in der Küche auf dem Herd, und meine Mutter schaltete den Backofen an und schob die Platte hinein.
    »Charlie kann ihn auch kalt essen.«
    »Aber warm schmeckt er viel besser. Ich wünschte nur, wir hätten noch Vanilleeis … meinst du, ich sollte eben zu Bierman’s laufen?«
    »Ganz sicher nicht.«
    »Ich hatte ja keine Ahnung, dass er der Sohn von Harold Blackwell ist«, sagte sie und fuhr nach einer kurzen Pause fort: »Bestimmt bist du überrascht, Lars hier zu sehen. Ich habeeines Tages Briefmarken gekauft, und da kamen wir ins Plaudern … er ist ein sehr netter Mann, Alice.«
    »Doch, das scheint er wirklich. Es tut mir leid, dass ich nicht vorher angerufen habe.«
    »Niemand wird mir jemals deinen Vater ersetzen.« In ihrer Stimme lag eine Schärfe, als rechnete sie damit, dass ich ihr nicht glauben würde.
    »Mom, ich freue mich für dich. Es ist gut, wenn du Gesellschaft hast. Ihr beide solltet mal zum Abendessen nach Madison kommen, entweder mit Granny oder nur du und Lars, wenn Granny in Chicago ist.«
    Meine Mutter schien verwirrt. »Hat Granny dir gesagt, dass sie nach Chicago fährt?«
    »Steht nicht nächste oder übernächste Woche ihr Besuch bei Dr. Wycomb an?«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Granny hat Dr. Wycomb schon seit Jahren nicht mehr besucht.«
    Ich war überrascht. »Fehlt ihr die Kraft dazu?«
    »Nun, sie ist zweiundachtzig«, sagte meine Mutter. »Bei ihrem scharfen Verstand vergisst man das leicht.« Meine Mutter nahm die Eieruhr und stellte sie auf sieben Minuten. Dann sagte sie: »Alice, ich wollte mich noch bei dir bedanken, dass du die Brosche verkauft hast. Ich weiß, wir haben vermutlich nicht so viel dafür gekriegt, wie sie wert war, aber es ist besser als nichts.«
     
    Wir blieben nicht lange. Ich nehme an, dass das Treffen für uns alle, mit Ausnahme meiner Großmutter, ein Kraftakt war. Meine Mutter bestand darauf, Charlie den restlichen Strudel einzupacken, und danach standen wir alle fünf im Wohnzimmer und verabschiedeten uns. »Jetzt verstehe ich, warum Alice immer so liebevoll von ihrem Zuhause spricht«, sagte Charlie voller Überzeugung und mit lauter Stimme zu meiner Mutter. Dennoch wirkte er distanziert – später würde ich ihn genau so mit seinen Wählern sprechen hören. Als meine Großmutter ihm die Hand schüttelte, sagte sie: »Ich habe Ihren Vater nie gewählt, aber ich habe stets den Geschmack IhrerMutter bewundert. Ich erinnere mich noch heute an ein Bild von ihr in einem umwerfenden Fuchs-Cape.«
    Charlie lächelte nicht, als er erwiderte: »Ich werde es ihr ausrichten.«
    Ich dirigierte ihn aus der Stadt hinaus, und nachdem wir den Highway erreicht hatten, sprach für beinahe zehn Minuten keiner von uns beiden ein Wort. »Es tut mir leid, wenn dieser Besuch unangenehm für dich war«, begann ich schließlich. »Du hast dich gut geschlagen.«
    Er zeigte keine Reaktion.
    »Bist du böse?«
    »Statt mir beschissene Predigten darüber zu halten, wie ich mich zu verhalten habe, solltest du dir vielleicht eine Lektion Kinderstube für deine Großmutter aufheben.«
    »Charlie, sie ist zweiundachtzig. Und hat nur herumgealbert.«
    »Dann musst du sie um einiges lustiger finden als ich. Auch auf die Gefahr hin, dass du mir eine verpasst, aber da draußen laufen ’ne Menge süßer Republikaner-Mädels rum,

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