Die Frau des Praesidenten - Roman
formten, glich einer Blume, von der unsere Körper wie Blütenblätter nach außen ragten. In der Highschool machten wir dann Witze über diese unsinnige Übung:
Das
sollte uns schützen? Ich stellte mir vor, wie dieses Netz aus Kindern in die Höhe gerissen wurde, alle krampfhaft darum bemüht, sich nicht loszulassen.
Die Sturmwarnung Ende August 1977 fiel auf einen Sonntagnachmittag. Am Abend zuvor waren Charlie und ich zu einer Party bei den Garhoffs gegangen, Bekannte von Charlie. Ich war mir ziemlich sicher und auch überrascht, dass dort im oberen Bad Marihuana geraucht worden war – zwar war dasnicht meine erste Party, auf der gekifft wurde, doch die Garhoffs hatten Kinder, die nur ein paar Zimmer weiter schliefen. Wir verließen die Party kurz nach Mitternacht, Charlie kam noch für eine Stunde mit zu mir und versuchte, mich dazu zu überreden, bei mir übernachten zu dürfen. »Wie in Houghton«, argumentierte er seit neuestem. »Und wie du siehst, haben die Flammen der Hölle noch nicht an uns gezüngelt.«
Ich blieb hart. Ich wusste, dass er am nächsten Morgen mit Hank Ucker in Lomira zum Gottesdienst mit anschließendem Pfannkuchen-Frühstück verabredet war. In dieser Zeit hatte ich vor, meine Wohnung in Ordnung zu bringen – ein Spülbecken dreckiges Geschirr, mehrere Maschinen Wäsche und unbezahlte Rechnungen warteten auf mich, allesamt Dinge, die man in der Anfangsphase einer Beziehung gern aufschiebt.
Während ich den Sonntagvormittag mit Putzen verbrachte, verfärbte sich draußen der Himmel von Blau zu Dunkelgrau. Gegen zwei Uhr mittags war die Temperatur um mindestens fünfzehn Grad seit Sonnenaufgang gefallen, und ich machte die Fenster in Küche und Schlafzimmer zu und schaltete das Radio an. Ein Tornado, der anscheinend nach Südwesten steuerte, näherte sich gerade Lacrosse, und bislang war noch nicht klar, ob er auch über Madison hinwegziehen würde. Ich rief Charlie an, und als er abhob, sagte ich: »Ich bin so froh, dass du sicher zu Hause angekommen bist.«
»Ich werde
nie wieder
einen Pfannkuchen essen. Grundgütiger, Lindy, diese kleinen alten Damen haben einfach kein Nein akzeptiert.«
»Hast du in letzter Zeit mal rausgeschaut?« Ich stand in der Küche vor der Spüle, von wo aus ich in den Garten und auf die Rückseite des gegenüberliegenden Hauses sehen konnte. »Nicht einmal die Vögel zwitschern mehr.«
»Du machst dir doch keine Sorgen, oder?«
Ich hörte seinen Fernseher und fragte: »Schaust du gerade Baseball?«
»Die Brew Crew macht gerade die White Sox’ platt, danke der Nachfrage. Nachdem wir die letzten beiden Spiele verloren haben, tut ein Sieg doppelt so gut.«
»Würde es dir was ausmachen, wenn wir am Telefon blieben?«, fragte ich. »Wir brauchen auch nicht zu reden.«
»Warum kommst du nicht zu mir? Oder soll ich zu dir kommen?«
»Ich hab doch nur einen Schwarzweißfernseher.«
»Dann komm du her. Du darfst auch meinen Bauch reiben.«
»Ich möchte jetzt lieber nicht fahren, falls es …«, begann ich zu sagen, als draußen plötzlich ein trommelnder Regen einsetzte. Dann stellte ich fest, dass es kein Regen war, sondern Hagel.
»Als Nächstes schlägt Mike Caldwell«, sagte Charlie. »Ich hatte so meine Bedenken wegen ihm, aber er spielt ganz passabel. Steve Brye hingegen …« In diesem Moment blitzte es, gefolgt von dem furchteinflößenden Krachen eines Donners, dann setzte das bedrohliche Heulen der Sirenen ein.
»Ich gehe in den Keller, und das solltest du auch tun«, sagte ich. »Bitte, Charlie, mach das Spiel aus.«
»Es ist alles in Ordnung, okay?« Er klang ruhig und freundlich.
»Charlie, schalt den Fernseher aus!«
Als ob ich zum Strand wollte, griff ich mir ein Handtuch und ein Buch (es war
Humboldts Vermächtnis
) sowie eine Taschenlampe und rannte aus der Wohnung. Die Kellertür befand sich im Erdgeschoss hinter der Treppe. Es gab in dem Haus noch eine andere Wohnung, sie lag im Erdgeschoss und war an einen Medizinstudenten namens Ja-hoon Choi vermietet, mit dem ich schon einige Male gemeinsam das Ende eines Tornados abgewartet hatte. Doch da sein Auto nicht in der Einfahrt stand, war er vermutlich nicht zu Hause. Ich stieg die wackelige Holztreppe in den Keller hinunter, und als ich unten angekommen war, zog ich an einer Schnur, um die Lampe in Form einer nackten Glühbirne anzumachen. Bis auf alte Segelausrüstungen und einige Gartenmöbel, die der Hauseigentümer hier aufbewahrte, war der Keller größtenteils leer. Ich
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