Die Frau des Praesidenten - Roman
öffnete die Haustür, wir sahen einander an, und ohne ein Wort zu sprechen, umarmten wir uns, drückten uns fest aneinander, und er sagte: »Wenn du nicht willst, dass ich danach noch einmal kandidiere, werde ich es nicht tun. Verflucht, ich muss noch nicht mal diese Kandidatur durchziehen«, und ich sagte: »Natürlich sollst du das.«
»Ich verspreche dir, dass ich nicht versuchen werde, dich umzukrempeln«, sagte er. »Du kannst Fidel Castro wählen, und ich werde nicht mit der Wimper zucken.«
Obwohl ich nicht weinte, glich mein anschließendes Lachen jenem tiefen Keuchen, das gewöhnlich auf Tränen folgt.
»Können wir uns versprechen, solche Hässlichkeiten in Zukunft zu unterlassen?« Er sah zu mir herunter und nahm meinen Kopf in beide Hände. »Denn ich ertrage das nicht, wirklich nicht.«
Ich kicherte noch immer mit nervöser Erleichterung. »Charlie, es tut mir so leid.«
»Wie es aussieht, sind wir noch in der Kennlernphase«, sagte er. »Einige Leute werden bestimmt sagen, dass wir das Ganze überstürzen. Aber ich war mir noch nie bei etwas so sicher. Dich besser kennenzulernen, die Vorstellung, all die kommenden Wochen und Jahre mit dir zu verbringen … es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche.«
»Charlie, ich weiß, dass du für dieses Leben gemacht bist, und ich finde es ehrenhaft. Du glaubst daran, die Welt verbessern zu können, und das bewundere ich.« Und während ich das sagte, wurde es wahr. In diesem Augenblick warf ich meine Zweifel über Bord, und das für lange, sehr lange Zeit. Wir waren beide nicht geschaffen für lebhafte Diskussionen – jeder noch so kleine Anflug von Boshaftigkeit war zu schmerzhaft –, und so waren wir uns entweder einig oder gingen Diskussionen aus dem Weg. Was mich betraf, so konnte ich beides gut; aufgrund meiner Generation, meines Geschlechts, meiner Herkunft und, vor allem, meines Gemüts war ich sowohl gut darin, mich zu einigen, als auch darin, Dingen aus dem Weg zu gehen.
Wenn ich meine Lebensgeschichte erzählen sollte (ich habe das Angebot wiederholt ausgeschlagen), und wenn ich dabei ehrlich sein sollte (natürlich wäre ich das nicht – das ist man nie), wäre ich wahrscheinlich versucht zu sagen, dass ich in jener Nacht, als ich im Nachthemd mit Charlie, der Jeans und ein rotes Hemd trug, unten an der Haustür stand, eine Entscheidung traf: Ich entschied mich für unsere Beziehung und gegen meine politischen Überzeugungen, für die Liebe und gegen meine Ideologie. Aber auch das wäre unaufrichtig; es würde die Geschichte unserer Beziehung ein weiteres Mal weniger genau als vielmehr zufriedenstellend wiedergeben. Meine Überzeugungen lagen tief in mir verborgen, nur selten hatte ich mich dazu veranlasst gesehen, sie laut zu äußern, undwenn, so könnte man meine gesamten politischen Ansichten in der Aussage zusammenfassen, dass mir arme Menschen leidtaten und ich froh war, dass Abtreibungen legalisiert worden waren. Daher hatte ich mich in diesem Moment für nichts
entschieden
. Ich hatte Charlie erst vor wenigen Wochen kennengelernt, doch bei der bloßen Vorstellung, ohne ihn leben zu müssen, fühlte ich mich wie ein gestrandeter Fisch. Von einer Demokratin zu einer Republikanerin zu werden, oder zumindest so zu tun, als ob, indem ich mich bedeckt hielt – das war kein hoher Preis, wenn ich dafür zurück ins Wasser geworfen würde, ich wieder atmen könnte.
Charlie grinste.
»Was ist?«, fragte ich.
»Mir ist gerade was eingefallen.« Er blähte leicht die Nasenflügel. »Wir werden gleich unseren ersten Versöhnungs-Sex haben.«
Ich hatte für Charlies Mutter einen kleinen Terrakottatopf mit Basilikum besorgt, doch wir hatten nicht einmal die Hälfte des Weges nach Halcyon zurückgelegt, da begann ich schon, die Wahl meines Mitbringsels in Frage zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt dämmerte mir nämlich, dass es sich bei Halcyon, Wisconsin, nicht, wie ich es anhand von Charlies Erzählungen angenommen hatte, um eine Stadt handelte, sondern vielmehr um eine Häuseransammlung, die sich auf einem etwa dreihundert Hektar großen Gebiet im Osten der Halbinsel Door County befand. Um in den Besitz eines dieser Häuser zu kommen, musste man dem Halcyon Club angehören, dessen Mitgliedschaft man offenbar dadurch erwarb, in eine von fünf Familien hineingeboren zu werden: die Niedleffs, die Higginsons, die deWolfes, die Thayers und die Blackwells. Vergnügt berichtete mir Charlie von seinem ersten Kuss, den er mit Christy Niedleff
Weitere Kostenlose Bücher