Die Frau des Praesidenten - Roman

Quadratmeter. Um eine Ulme wuchs ein Meer aus Immergrün, und das Gras war so sattgrün, dass ich versucht war, die Schuhe auszuziehen. Ich lief um das große Haus herum. Etwa fünf Meter vor mir führte ein Weg aus Schieferplatten durch das Gras, und am Ende dieses vierzig Meter langen, leicht abfallenden Weges lagen ein schmaler steiniger Strand und dahinter das Wasser. In den See ragte ein langer Steg, an dessen Ende Menschen auf Handtüchern lagen und in Klappstühlen saßen. Weiter draußen trieb ein Floß, von dem eine Person in roter Badehose gerade ins Wasser sprang.
    Als ich zurück zum Auto lief, standen Charlie und Arthur gerade auf und kamen dann schnaufend und keuchend auf mich zu. »Sag mal, Alice«, begann Arthur, »macht Chasbo immer noch seine Impotenz zu schaffen, oder hat er das inzwischen in den Griff gekriegt?«
    »Wurde vom gleichen Doc geheilt, der deine Blähungen behandelt.« Charlie grinste. »Toller Kerl.«
    »Lieber hinten heiße Luft als vorne«, sagte Arthur, woraufhin Charlie meinte: »Red dir das nur weiter ein, Sprengmeister.«
    »Sei ehrlich, Alice«, sagte Arthur. »Hat Chas dich mit seiner Zungenfertigkeit rumgekriegt?«
    Charlie legte Arthur einen Arm um die Schulter. »Alles, was ich weiß, hab ich von meinem älteren Bruder gelernt.«
    Beide grinsten das gleiche Grinsen, und Arthur sagte: »Willkommen in Halcyon. Jemand Lust auf ein Bier?«
    Wir holten unser Gepäck aus dem Kofferraum und trugen es in Richtung Haus. »Ich weiß nicht, wo Maj Alice unterbringen will, aber fürs Erste stellen wir ihre Sachen ins Alamo«, sagte Arthur, der meinen rosa-braunen Kunststoffkoffer mit Paisleymuster und rosafarbenen Lederriemen trug, den ich mir vergangenen Winter in Denas Laden gekauft hatte. Ich selbsthatte meine Handtasche und das Basilikum in der Hand, das mir nun endgültig wie Unkraut, Hippie-Unkraut vorkam. Wir erreichten eine Fliegengittertür an der Rückseite des Hauses, und Charlie fragte: »Wer ist alles da?«
    »Mal überlegen … Ed und John sind mit Joe Thayer draußen beim Angeln, Ginger hat Migräne« – Arthur zog bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch –, »Dad und Maj sind mit den Jungs beim Schwimmen, und Liza, Jadey und das Baby sind in die Stadt, Insektenspray kaufen – nehmt euch in Acht, die Moskitos sind momentan echte Biester –, Onkel Trip schläft, und Nan spielt mit Margaret Tennis. Hab ich jemanden vergessen?«
    »Onkel Trip ist auch da?«, fragte Charlie.
    Arthur grinste. »Was wäre das Labor-Day-Wochenende ohne ihn?«
    Die beiden hätten in dem Augenblick, als Arthur die Fliegengittertür öffnete und Charlie und ich ihm ins Haus folgten, genauso gut Chinesisch miteinander sprechen können. Kaum einer der Namen sagte mir was, und mir schien, als würde es eine ganze Weile dauern, bis sich daran etwas ändern würde. Doch da täuschte ich mich, und noch vor Ablauf des Wochenendes konnte ich Arthurs Abriss, wenn auch nicht flüssig, so doch fehlerfrei entschlüsseln: Ed war der älteste Bruder, der Kongressabgeordnete; Ginger war seine Frau, die, je nachdem, wem man glaubte, unter Migräneanfällen litt oder sie vortäuschte (unabhängig davon, was nun stimmte, schienen sich alle Blackwells, mit Ausnahme von Ed, darin einig zu sein, dass Ginger steif und humorlos war. Dass sie dadurch als warnendes Beispiel für mich diente, war möglicherweise beabsichtigt); mit »die Jungs« waren die drei Söhne von Ed und Ginger gemeint, der zehnjährige Harry, der achtjährige Tommy und der vierjährige Geoff; zu den Jungs zählte außerdem noch Arthurs dreijähriger Sohn Drew; Jadey war Arthurs Frau, das Baby deren elf Monate alte Tochter Winnie; John war Charlies zweitältester Bruder, verheiratet mit Nan; Liza, neun Jahre, war deren ältere Tochter, und Margaret, sieben, die jüngere; Onkel Trip war kein wirklicher Onkel, sondern der dritte Mitbewohner des Dreierzimmers, das sich Harold Blackwellund Hugh deWolfe im Herbst 1939 und im Frühjahr 1940 in Princeton geteilt hatten; und abschließend waren da noch Dad, Harold Blackwell, und Maj, Priscilla Blackwell. Joe Thayer, der mit Ed und John beim Angeln war (die Blackwells besaßen insgesamt fünf Boote: einen Kutter, ein Motorboot, zwei Whitehall-Ruderboote und ein Kanu), war sechsunddreißig, arbeitete als Anwalt in Milwaukee und war das älteste Kind von Walt und Sarah Thayer, einer anderen Halcyon-Familie. Mit Joe würde ich mich elf Jahre später küssend auf dem Campus in Princeton wiederfinden. Doch das