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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Decke komplett verglast. Viele der Jalousienfenster waren geöffnet und gaben den Blick auf eine umbaute Veranda frei, auf der Unmengen an Korbmöbeln auf einem riesigen Strohteppich standen. Am hinteren Ende hing eine Hängematte zwischen den Wänden, in der – es dauerte einen Moment, bis ich es bemerkte – ein Mann mittleren Alters tief und fest zu schlafen schien. Jenseits der Veranda lag der Lake Michigan.
    »Hier entlang zu den Schlafzimmern.« Arthur steuerte in einen kurzen Flur, der zu zwei kleineren Zimmern führte. In dem ersten lag ein weiterer Strohteppich, auf dem ein niedriges Kingsize-Bett mit weißer Decke sowie zwei Nachtschränkchen standen, die mit Bücher- und Papierstapeln beladen waren. Außerdem eine Frisierkommode mit Spiegel, deren hellblaue Farbe bereits abblätterte. In dem zweiten Zimmer befand sich ein Doppelbett mit mintgrünem Eisengestell sowie ein älterer Fernseher, der auf einer Anrichte stand. Erst als ich die beiden Schlafzimmer auf der anderen Seite des Hauses sah, in denen sich jeweils mehrere Einzelbetten und bis auf verstreut herumliegendes Kinderspielzeug und mehrere Kleidungsstücke sonst nichts weiter befand, wurde mir klar, dasses sich bei dem ersten Schlafzimmer um das von Charlies Eltern gehandelt haben musste.
    »Wenn es in Ordnung ist, würde ich mal das berühmte Badezimmer aufsuchen«, sagte ich.
    »Da entlang.« Charlie machte eine nickende Kopfbewegung, und als ich in die Richtung ging, in die er deutete, rief mir Arthur hinterher: »Frühzeitig und oft spülen.«
    Ich ging einen Flur entlang, in dem abgetragene Jacken und Flanellhemden an Haken hingen. Auf einem darüber angebrachten Bord lagen allerlei Gegenstände durcheinander: ein Frisbee, ein Paar Schneeschuhe, ein Plastikdrachen, eine Ausgabe der Milwaukee White Pages, ein verstaubter Vier-Liter-Blecheimer graue Wandfarbe.
    Das Badezimmer war mit einem ovalen Porzellanschild ausgewiesen, auf dem in geschwungener Schrift WC stand, doch diese Bezeichnung war alles andere als zutreffend, denn dieser Raum war keine Toilette, wie ich nach dem Öffnen der Tür feststellte. Er hatte die Größe unseres Esszimmers in Riley. Darin standen Waschmaschine und Trockner, eine Badewanne mit Löwenfüßen, eine alte Toilette mit schwarzer Plastikbrille und einem Spülkasten über Kopfhöhe, von dem eine Kette zum Spülen herabhing. Neben einem kleinen weißen Porzellanwaschbecken stand ein niedriger Holztisch, auf dem vier Becher mit jeweils zwei oder drei Zahnbürsten standen. In einem Bücherregal befanden sich hauptsächlich Schundromane im Taschenbuchformat, aber auch zwei Hardcover (
Die Bekenntnisse des Nat Turner
sowie eine große grüne Ausgabe von Leon Uris’
Trinity
). Vor dem geöffneten Fenster hing ein nicht ganz blickdichter weißer Vorhang aus Baumwoll-Voile, durch den ich die parkenden Autos sehen und neben der Brise aus dem Garten auch die weiter entfernten Stimmen der Schwimmer und Sonnenanbeter auf dem Steg wahrnehmen konnte. Ich schloss die Tür und wollte gerade meinen Rock heben – für das Treffen mit Charlies Familie hatte ich mich für ein gelbes kurzärmeliges Strickkleid mit Kragen und Krawattengürtel entschieden, dazu trug ich meine blauen Dr.-Scholl-Sandalen –, als ich sah, dass die Tür von allein wieder aufgegangenwar. Nach einem zweiten erfolglosen Versuch, sie zu schließen, stellte ich fest, dass das Türschloss nicht einschnappte und somit das glatte Holz der Tür am glatten Holz des Rahmens abglitt. Verzweiflung stieg kurz in mir auf (ein Bad für achtzehn Leute! Und das für die kommenden drei Nächte!), aber ich schluckte sie hinunter, nahm
Trinity
und
Die Bekenntnisse des Nat Turner
aus dem Regal und legte sie vor die Tür auf den Boden. Wie mir schien, waren sie genau dafür gedacht. Sicherheitshalber schloss ich noch das Fenster; ein Fliegengitter gab es nicht.
    Als ich zurückging, fand ich Charlie und Arthur im Wohnzimmer. Arthur zeigte Charlie gerade einen Artikel über ihren Bruder Ed im
Washingtonian Magazine
, einer mir unbekannten Zeitschrift. »Grundgütiger, gehen Ed die Haare aus!« Charlie hielt mir die Zeitschrift hin. »Das werd ich ihm schön aufs Brot schmieren, so viel ist sicher. Alice, willst du dich nicht zum Baden umziehen?«
    »Ich fände es würdevoller, deine Eltern kennenzulernen, wenn ich noch etwas anhabe.«
    Arthur lachte. »Nach Würde wirst du hier vergeblich suchen.« Er lief zu einem kleinen Tisch, der zwischen zwei weißen Bambusstühlen stand,

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