Die Frau des Praesidenten - Roman
dabei sind …«
»Elf«, sagte er. »Vor dir, meine ich. Du bist Nummer zwölf. Und du – wie viele Kerle hattest du schon?«
»Dich mitgezählt, vier.« Ich stellte meine weißen Pumps in den Wandschrank auf den Boden.
»Ernsthaft, vier?« Charlie schien überrascht.
»Was dachtest du denn?«
»Der Bruder von dem Jungen in der Highschool, und ich, und …«
»Während des Colleges war ich mit Wade Trommler zusammen, und vor ein paar Jahren mit einem Mann namens Simon.«
»
Du
hast mit Trompete Trommler das Tier mit den zwei Rücken gemacht? Du hast dich von der Trompete vögeln lassen?« Charlie schien nicht im Geringsten eifersüchtig, sondern, im Gegenteil, höchst belustigt. »Das ist ja zum Wegschmeißen. Oh, Mann, Wade ist mit Abstand der größte Langweiler, der rumläuft. Versteh mich nicht falsch, er ist nett, netter geht’s gar nicht, aber eben sterbenslangweilig. Und, wie war er?«
»Warum willst du das wissen?« Vor kurzem hatten Charlie und Wade während eines Badmintonspiels bei den Hickens zusammen in einer Mannschaft gespielt. Aber ich sah in Wade nicht länger meinen Exfreund; er war einfach nur der Mann von Rose.
»Heißt das nun, dass er gut oder schlecht war?«, fragte Charlie.
»Es war in Ordnung«, antwortete ich. »Du hast recht damit, dass er nett ist, und du hast auch recht damit, dass er langweilig ist.«
»Er war kein Charlie Blackwell?«
Ich ging auf ihn zu und legte meine Arme um ihn. Er saß noch immer und schmiegte seinen Kopf an meine Brust. »Es gibt nur einen Charlie Blackwell«, sagte ich und konnte mir nicht verkneifen hinzuzufügen: »Zum Glück.«
»Und dieser andere Kerl, Simon und wie weiter?«
»Sein Nachname ist Törnkvist. Du kennst ihn nicht. Er war so eine Art Hippie und ein sehr ernsthafter Mensch.«
»Wie war er im Bett?«
»Oh, bitte, Charlie.«
»Ich versuche nur, mir ein vollständiges Bild von dir zu machen. Um gemeinsam in die Zukunft aufbrechen zu können, dürfen wir uns der Vergangenheit gegenüber nicht respektlos verhalten.«
Ich kippte seinen Kopf sanft nach hinten, so dass wir einander ansehen konnten. »Ist das aus einer Rede?«
Er grinste. »Vielleicht.«
»Ich denke, Simon wird von seiner Zeit in Vietnam verfolgt«, sagte ich.
»Aha.« Charlie nickte. »Der verbitterte Typ Hippie. Klug von dir, weiterzuziehen.«
»Mach dich nicht über ihn lustig, er ist ein anständiger Mensch. Du warst nicht …« Ich ahnte, wie die Antwort auf meine Frage lauten würde, war mir aber nicht sicher. »Du warst nicht in Vietnam, oder?«
»Konnte nicht. Plattfüße.« Charlie war barfuß, er trug bereits seine Badehose, und er streckte seine Beine aus und wackelte mit den Füßen.
»Und deine Brüder?«
»Ed hat zuerst Jura studiert, dann Ginger geheiratet, also wurde er zurückgestellt. Wie sich herausstellte, haben John und Arthur auch Plattfüße. Was für ein Zufall, hm?« Charlie grinste. Er malte Anführungszeichen in die Luft und sagte: »Ich war währenddessen im ›Gastgewerbe‹ tätig … was so viel heißen soll wie, ich bin auf die Piste gegangen. War Skilehrer in Squaw Valley und hatte einen Bart wie der Mann aus den Bergen. Ich werde Maj fragen, ob sie Bilder davon hat, sonst glaubst du das nicht.«
Es war ein seltsames Gefühl, im Ferienhaus der Blackwells zu stehen und an Simon erinnert zu werden. Wie sehr sich dieser Ort von der Erbsenfarm seiner Eltern unterscheiden musste. Ich stellte mir vor, wie er die Blackwells finden würde: maßlos,ordinär und selbstgefällig. Und umgekehrt würden sie ihn für mürrisch und humorlos halten – nicht dass sie sich jemals kennenlernen würden. Was hatte es also zu bedeuten, dass ich mich in beiden Lagern ohne größere Schwierigkeiten bewegen konnte? War ich unbeständig, ohne feste Identität? Ich verstand das Für und Wider sowohl für Menschen wie die Blackwells als auch für jemanden wie Simon. Doch im Unterschied zu mir selbst konnte ich mir nicht vorstellen, dass Charlies Verhalten je nach seiner aktuellen Freundin variierte; Charlie würde immer er selbst sein. Ich hätte eine starke Selbstwahrnehmung, hatte er zu mir gesagt, doch nun fragte ich mich, ob nicht genau das Gegenteil der Fall war, ob nicht vielleicht das, was er für Stärke hielt, in Wirklichkeit meine Fähigkeit war, mich zu verbiegen und mich anzupassen; ob das, was er sah, wenn er mich anschaute, nicht das Abbild seines eigenen Willens, seiner eigenen Persönlichkeit war. Ich war höflich, hinlänglich gebildet
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