Die Frau des Praesidenten - Roman
grüne Cocktailservietten und jede Menge Gläser – Weingläser, Longdrinkgläser, Whiskeygläser –, in denen sich funkelnd die Abendsonne spiegelte. Neben dem Tisch befand sich ein Plastikkühler, gefüllt mit Eis und mehreren Dosen Pabst und Schlitz.
»Hallo«, sagte ich. »Ich bin Alice Lindgren. Ich bin Charlies … Ich bin ein Gast von Charlie.«
Die Frau nickte, ohne dabei besonders herzlich zu wirken. »Was möchten Sie trinken?«
»Bin ich zu früh?«, fragte ich. »Kann ich Ihnen vielleicht bei den Vorbereitungen helfen?« Ich sah, dass auf den Korbtischen zwischen den Stühlen kleine Schüsseln mit Erdnüssen oder Cheetos standen; beim näheren Hinschauen erkannte ich außerdem einen Aufdruck auf den Cocktailservietten: ein gelber aufspringender Ball mit dem weißen Schriftzug TENNISSPIELER HABEN KEINE FEHLER!
»Wollen Sie Weißwein, ja?«, fragte die Frau.
»Das wäre wunderbar.« Während ich zusah, wie sie eineFlasche öffnete, wünschte ich, ich hätte abgelehnt, aber dafür schien es nun zu spät. Sie reichte mir das Glas, und ich hatte gerade daran genippt, da hörte ich eine Männerstimme ausrufen: »Miss Ruby!«, und noch bevor ich die flink herannahende Gestalt wirklich wahrnahm, wurde die Frau in der Schürze in die Höhe gerissen. Die Gestalt entpuppte sich als Charlie; er hielt sie umschlungen, wirbelte sie einmal herum, und als er sie wieder absetzte, funkelte sie ihn böse an, strich ihre Schürze glatt und sagte: »Sie haben nicht einen Funken Anstand im Leib.«
Charlie grinste. »Miss Ruby, das ist meine zukünftige Braut, Alice Lindgren. Alice, das ist meine erste große Liebe, Miss Ruby.«
Ich hätte mich darüber ärgern können, dass Charlie unsere Verlobung bekannt gegeben hatte – es war entgegen unserer Verabredung im Auto –, aber als Miss Ruby und ich uns die Hand gaben, schien sie sich kein bisschen mehr für mich zu interessieren als vor Charlies Auftauchen. Hatte Charlie ihr schon andere Frauen als seine zukünftige Braut vorgestellt? Das war nicht auszuschließen. »Lassen Sie Ihre Finger von dem Krabbendip, Charlie Blackwell«, bellte sie, und ich sah, dass er einen Zeigefinger in die Kristallschale getaucht hatte, die neben den Weinflaschen stand. Miss Ruby schnaufte. »Können Sie kein Messer benutzen wie ein zivilisierter Mensch?«
»So schmeckt es aber besser.« Charlie leckte seinen Finger ab. »Alice, willst du was trinken?«
Ich hielt mein Weinglas hoch.
»Sehr gut«, sagte er. »Du siehst übrigens umwerfend aus.« Er beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf den Mund; er war ganz klar in Darstellerlaune. Ich hatte das schon ein paarmal in Madison erlebt, wenn wir unter Leuten waren. Er konnte dann auf sehr gewinnende Art albern sein, war aber noch vollkommen in der Lage, anderen zuzuhören. Manchmal jedoch, besonders wenn er bereits seit mehreren Stunden getrunken hatte, war er aufgedreht und unangenehm, unzugänglich für jeden, der nicht ähnlich betrunken und aufgekratzt war wie er. In diesen Momenten hatte ich einfach ausgeharrt, hattegewartet, bis wir nach Hause gehen konnten, und in der Zwischenzeit verständnisvolle Blicke mit den Frauen oder Freundinnen der anderen Männer getauscht. Mit meinem Verhalten wollte ich Charlie nicht unterstützen, aber ich hatte auch kein Verlangen, ihm zu sagen, wie er sich zu benehmen hatte.
»Miss Ruby kann bestätigen, dass ich heute zum ersten Mal in der Geschichte dieser Familie als Erster hier bin«, sagte Charlie. »Ich wollte nicht, dass du denkst, du hättest dich im Ort geirrt, Lindy. Die Blackwell’sche Standardzeit ist … Was würdest du sagen, Miss Ruby, etwa fünfundvierzig Minuten zu spät?«
»Seien Sie nicht albern«, sagte Miss Ruby.
Charlie deutete auf sie. »Diese Frau hat sich ab dem Moment, als ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, um mich gekümmert, und bei Gott, ich würde mein Leben für sie geben.«
»Ganz bestimmt würden Sie das«, sagte Miss Ruby und ging zurück ins Haus.
»Ist sie nicht zum Schreien?«, fragte Charlie. »Ein Original.« Ich war mir da nicht so sicher, doch kaum hatte sie die Veranda verlassen und er damit sein Publikum verloren, wurde er etwas ruhiger. Ich merkte natürlich, wie er sich auf den Abend freute, und das konnte ich ihm nicht verdenken – es lag auf der Hand, dass bei den Familientreffen der Blackwells der sportliche Wettbewerb nicht nur ein Programmpunkt, sondern Programm war. Noch Jahre später staunte ich immer wieder, und das nicht ohne
Weitere Kostenlose Bücher