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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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niemals verlobt hätten, hätten wir diesen Ausflug nach Halcyon vor unserem Eheversprechen gemacht. Wie unterschiedlich wir tatsächlich waren, zeigte sich vor allem, wenn unsere Familien ins Spiel kamen. Doch in diesem Moment war ich froh, dass ich nicht gewusst hatte, worauf ich mich einließ; ich war froh, dass es bereits zu spät war.
     
    Wir bildeten eine lockere Karawane, als wir ins Clubhaus zum Essen liefen. Hinter einem Kiefernhain tauchte rechter Hand eine weitere Siedlung auf, eine Ansammlung von Häusern, die in Größe und Anordnung denen der Blackwells glich. Wie es schien, gehörte Charlies Familie das nördlichste Stück des Landes. Am nächsten großen Haus stießen wir auf eine Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, angeführt von einem etwa achtzigjährigen silberhaarigen Mann, der sein rechtes Bein nachzog und sich auf einen Spazierstock aus dunklem Holz stützte. Seine marineblaue Hose war mit kleinen grünen Schildkröten bestickt. »Harold«, rief er mit vornehm-sonorer Stimme, »ich werde nicht dulden, dass du die ganzen Süßkartoffelteilchen alleine isst«, worauf Harold Blackwell zurückrief: »Würde mir nicht im Traum einfallen, Rumpus!« Oder zumindest glaubte ich, das gehört zu haben, traute jedoch meinen Ohren nicht, bis ich mich im Speisesaal des Clubhauses schließlich neben genau diesem Mann wiederfand. Von der Raummitte aus erstreckten sich in alle vier Himmelsrichtungen Tische und bildeten ein riesiges Kreuz. Entgegen meiner Annahme waren die Tische nicht nach Familien aufgeteilt (erst später mir fiel ein, dass das gar nicht möglich gewesen wäre, da es vier Tische, aber fünf Familien waren). Stattdessen wurden die Plätze, wie mir schien, völlig willkürlich, von den gackernden Matriarchinnen zugewiesen. Die Enkel dirigierte Mrs. Blackwell an einen Tisch, ihre älteren Söhne und Ehefrauen verstreute sie über mehrere andere, dann wandte sie sich Charlie und mir zu. »Chas, du sitzt neben Mrs. deWolfe. Siebrennt darauf, deine Theorie über Jimmy Connors zu hören. Alice, du sitzt gleich hier.« Sie deutete auf den zweitletzten Platz an einem Tisch. »Ich finde es so langweilig, wenn Pärchen nebeneinander sitzen, du nicht auch?« Ich nickte und versuchte mich erfolglos daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal irgendwo gewesen war, wo einem die Plätze zugewiesen wurden. Auf den komplett eingedeckten Tischen lagen weiße Tischdecken; Porzellan und Besteck waren fein, wenn auch längst nicht mehr neu. Insgesamt machte das Clubhaus einen ähnlich abgenutzten Eindruck auf mich wie das Alamo – die waldgrünen Baumwollvorhänge waren ausgeblichen, der Fußboden aus Hartholz zerkratzt, die eher unbequemen Holzstühle erinnerten an die Sitzgelegenheiten in einem Studentenwohnheim. Dort, wo die vier Tische sich kreuzten, stand eine große Vase mit lilafarbenen Hortensien, und über dem Kaminsims hing ein imposantes Ölgemälde, auf dem dunkles Wasser zu sehen war: höchstwahrscheinlich der Lake Michigan.
    Nachdem alle Platz genommen hatten – ich beobachtete, wie die Männer warteten, bis ihre Frauen saßen, die wiederum erst die Kinder hinsetzten –, streckte mir der Mann neben mir, der mit der Schildkrötenhose, seine Hand entgegen. »Rumpus Higginson«, sagte er.
    »Alice Lindgren.« Während wir uns die Hände schüttelten, war ich direkt ein bisschen stolz, dass ich über seinen skurrilen Rufnamen nicht lachen, nicht einmal lächeln oder mit den Lippen zucken musste. (Zurück in Madison stieß ich zwei Wochen später im
Wisconsin State Journal
auf einen Artikel über die Erweiterung der Wall Bank – einem Konkurrenten der Wisconsin State Bank & Trust, bei der mein Vater über dreißig Jahre lang angestellt gewesen war. Zu dem Artikel gehörte auch ein Bild, ein grobkörniges Foto, nicht größer als eine Briefmarke, aber dennoch erkannte ich den Mann namens Leslie J. Higginson; er war, wie es schien, der Gründer der Bank. Was bedeutete, dass er meinem Vater bestimmt ein Begriff gewesen wäre, wobei ich bezweifelte, dass meinem Vater je bekannt gewesen war, dass er auf den Namen Rumpus hörte.)
    Als erster Gang wurde Vichyssoise in flachen weißen Schüsseln, garniert mit Schnittlauch, serviert. Während wir die Suppe aßen, sagte Rumpus oder Mr. Higginson – ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich ihn ansprechen sollte –: »Waren Sie schon öfter in Door County, Allison?«
    Ich korrigierte ihn nicht. »Um ehrlich zu sein, ist es mein erstes Mal. Aber es macht

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