Die Frau des Praesidenten - Roman
seinem Ruf alle Ehre.«
»Sie hätten sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können.« Rumpus schüttelte den Kopf. »Einfach herrlich.«
Als mir dieser Platz zugewiesen worden war, hatte ich mich gefragt, ob Mrs. Blackwell mich vielleicht verbannen wollte, aber dann hatte sie sich schräg gegenüber hingesetzt (um mich im Auge zu behalten? Nein, das war albern). Nun sagte sie: »Rump, sag mir, dass das mit Cecily und Gordon nicht wahr ist. Wenn die beiden nach Los Angeles ziehen, sehen wir sie nie wieder.«
»Um Himmels willen!«, protestierte Rumpus. »Für eine passionierte Reisende wie dich, Priscilla, ist so ein Flug nach Kalifornien doch kein Problem.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das letzte Mal, als ich in Los Angeles war, habe ich mir gesagt: ›Was zu viel ist, ist zu viel.‹ Dieser fürchterliche Verkehr, dann das miserable Essen, und erst das Personal im Biltmore … vollkommen unfähig. Schimpft sich Weltstadt, aber ich finde es geradezu provinziell.« Mit Sicherheit gibt es Menschen, die nicht glauben würden, dass sich jemand, der aus Wisconsin kommt, erdreisten würde, eine derartige Bemerkung zu machen, aber sie irren sich. Mrs. Blackwell fuhr fort: »Ich habe Cecily vergangenen März unten in Sea Island getroffen und zu ihr gesagt: ›Cecily, wenn ihr beide auch nur daran denkt, euch an die Westküste abzusetzen, dann ist das hier das Letzte, was ihr von Harold und mir zu hören bekommt.‹«
»Das sieht Gordon aber ähnlich, oder? Soweit ich weiß, will er die Beziehungen zu den Investoren aus Asien ausbauen, und da ist es erheblich praktischer …«
In diesem Stil setzten sie ihre Unterhaltung fort, während wir zum Hauptgang übergingen: Brathähnchen. Sie sprachennoch über ein anderes Pärchen namens Bancroft, die, wie ich folgerte, in Milwaukee lebten, gerade ihre Küche renovierten und das Pech gehabt hatten, an einen unfähigen Monteur geraten zu sein; außerdem ging es um ein Pärchen namens LeGrand, deren Sohn im zweiten Jahr in Dartmouth Medizin studierte, wobei Mrs. Blackwell bezweifelte, dass er »das Zeug« dazu hatte – dabei tippte sie sich an die Schläfe –, den Abschluss zu schaffen (»er hatte an der University of Wisconsin schlechtere Noten als Chas in Princeton!«, rief sie aus); abschließend sprachen sie über einen Wiener Cellisten, der unlängst einige Monate mit dem Milwaukee Symphony Orchestra gespielt und bei Emily und Will Higginson gewohnt hatte – Sohn und Schwiegertochter von Rumpus. »Die Italiener sagen, Gäste sind wie Fisch.« Mrs. Blackwell grinste. »Nach drei Tagen fangen sie an zu stinken.« (Ich begann sofort auszurechnen, dass Charlie und ich nicht länger als drei Tage bleiben würden, wenn wir Freitag angereist waren und Montag wieder fuhren, oder? Allerdings war nur ich ein Gast; Charlie gehörte zur Familie.)
Während des gesamten Essens nickte ich in Abständen, die ich für angemessenen hielt, lächelte, wenn sie lächelten, lachte, wenn sie lachten, und beantwortete sogar eine Frage bezüglich meines Musikgeschmacks: »Allison, bevorzugen Sie eher die Klassik oder die Romantik?«, erkundigte sich Rumpus, und ich sagte: »Mir hat schon immer Mahlers Fünfte gefallen.« Die Kellnerinnen und Kellner, von denen die meisten wie vierzehn aussahen, füllten unsere Weingläser häufig nach, und so bekam ich im Laufe der Zeit zunächst einen Schwips und wurde dann derart betrunken, wie ich es nie zuvor in meinem Leben gewesen war. Als ich das zweite Mal zur Toilette ging – es wurde gerade Kaffee und Nachtisch serviert –, schwankten die Wände um mich herum.
Vor dem Speisesaal gab es eine Sitzecke, an deren Wänden, ebenso wie an den Wänden des Flurs, der zur Toilette führte, dicht an dicht gerahmte Fotos hingen, die meisten davon in schwarzweiß: Halcyon-Bewohner, die Fische hochhielten oder Tennis spielten (auf manchen Aufnahmen waren dieSpieler in Aktion zu sehen, andere Bilder waren gestellt und zeigten die Spieler mit vor der Brust gekreuzten Schlägern). Auf einem Bild war Mrs. Blackwell mit einem kleinen Kind, möglicherweise Charlie, an der Hand zu sehen, wie sie vermutlich auf der Veranda dieses Gebäudes hier stand. Mrs. Blackwell war nicht schön, aber dunkelhaarig und attraktiv, mit einem glatten, faltenlosen Gesicht und einem verschmitzten Funkeln in den Augen. Ich war auf dem Rückweg von der Toilette und schaute mir gerade dieses Bild an, als wie aus dem Nichts eine Frau auftauchte und sich mir in die Arme warf. »Ich freue
Weitere Kostenlose Bücher