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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Gitarrenplättchen, hatte jede Menge Risse, und als ich meine Handflächen darumlegte und aneinanderdrückte, brach es auseinander, und ich dachte mir – der Gedanke kam wie von selbst, ganz beiläufig, wie ein Reflex –
Ich hasse es hier
.
    Diese Art Gedanke war vollkommen untypisch für mich, und noch im gleichen Moment begann ich, meine Situation zu überdenken. Die Blackwells trugen an meiner Magenverstimmung genauso viel Schuld wie an einem Sommergewitter!(Oh, aber wie sie ihre eine Toilette liebten, wie sie ihre ausgeblichenen Möbel und ihren moosbewachsenen, morschen Steg liebten, ihre angeschlagenen Untertassen, angelaufenen Silberrahmen und harten Matratzen. Sie liebten diese unechte, selektive Form des primitiven Lebens, liebten ihr eigenes Behagen an dieser Sitte und das mögliche Unbehagen ihrer Gäste. In meinem Elternhaus hatte es auch nur ein Badezimmer gegeben, doch niemand in meiner Familie wäre auf die Idee gekommen, auf diesen Umstand
stolz
zu sein. Und so erwartete mich keine Überraschung – inzwischen verstand ich es –, als ich ein paar Wochen später mit Charlie zu seinen Eltern nach Milwaukee in ihr Haupthaus fuhr, das selbst das Alamo in den Schatten stellte; ich schätzte das Haus in Milwaukee auf annähernd tausendfünfhundert Quadratmeter, ein sich in die Breite erstreckendes Ungetüm aus unbehauenem Stein mit Schieferdach. Es hatte mehrere Dachfirste und Schornsteine, Vorsprünge und zurückgesetzte Abschnitte sowie Unmengen an Fenstern; die Art der Steine in Verbindung mit der Größe erweckten den Eindruck eines Schlosses. Der Rasen an der Vorderseite des Hauses war so grün und akkurat geschnitten wie der eines Golfplatzes, in der Garage hatten vier Autos Platz – angesichts von Haushaltshilfen, Gästen und jüngeren Familienmitgliedern parkten für gewöhnlich noch drei oder vier weitere Wagen in der mit Kies bedeckten Auffahrt –, und hinter dem Haus befand sich ein Pool, der auf exakt fünfzehn Grad gehalten wurde, was Charlie als »skrotum-schrumpfend« bezeichnete. Im Inneren des Hauses befanden sich Hartholzböden und riesige orientalische Teppiche, Kronleuchter, bodenlange Vorhänge, Massivholzmöbel, Ölgemälde mit Obststillleben und Totenschädeln sowie im Esszimmer ein meterlanges Wandgemälde einer englischen Jagdszene. Und außerdem: sieben Badezimmer. Es war daher ganz klar, dass sie ihren Spaß an den Entbehrungen Halcyons hatten. Sie liebten sie, wie es Kinder aus der Vorstadt lieben, in ihrem Garten zu zelten. Doch dieses Wissen über die Blackwells, das kein wirkliches Wissen, sondern mehr eine Art unterbewusste Ahnung war, legte ich genauso wie den Gedanken, Charlie heiratete michnur, weil ich ihm Glaubhaftigkeit verlieh, ganz weit hinten in meinem Kopf ab. Mir scheint, als glaubten für gewöhnlich eher die Menschen aus den Küstenstädten und weniger wir aus dem Mittleren Westen, man müsse all seine Eindrücke an die Oberfläche holen und näher auf jene unangenehmen Gefühle eingehen, die von Menschen aus dem eigenen Umfeld hervorgerufen werden.)
    Nein. Ich hasste diesen Ort nicht, und ich machte Charlies Familie auch nicht für meine Magenverstimmung oder irgendetwas anderes verantwortlich. Hass war ein so melodramatisches Gefühl, so übertrieben und dumm. Wenn die Blackwells bestimmte Zweifel in mir hervorriefen, so war ich wohl kaum der erste Mensch, der Vorbehalte in Bezug auf seine zukünftige Schwiegerfamilie oder in Bezug auf reiche Menschen hatte.
    Ich stellte die Bücher ins Regal zurück und öffnete vorsichtig die Tür. Auf dem Weg nach draußen hörte ich jemanden husten, doch ich konnte die Richtung, aus der es kam, nicht ausmachen. Ich lief über das feuchte Gras zurück zum Itty-Bitty, und kurz bevor ich hineinging, warf ich einen Blick nach rechts, sah den See ruhig und grau daliegen, das Grau des Wassers dunkler als das des Himmels, so dunkel und schwer und schön, dass mir der Atem stockte. Nein, es hatte nichts mit Prahlerei oder Affektiertheit zu tun, dass sich die Blackwells zu diesem Ort hingezogen fühlten – ihnen das zu unterstellen war ungerecht. Es war vielmehr Halcyons Schönheit, die sie erkannten und sich leisten konnten. Hätten meine Eltern nicht auch gern jedes Jahr ein paar Monate im Sommer an einem Ort wie diesem verbracht, wenn sie die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten dazu gehabt hätten?
    Vielleicht waren es aber auch die Müdigkeit und der Wunsch, wieder ins Bett zu kommen, die mich hier, auf den Stufen

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