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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Waschbecken ein Glas mit Wasser und stellte es auf die Fensterbank. Sie blieb vor dem Fenster stehen, das auf die graue Rückseite eines anderen Gebäudes hinausging. Draußen herrschten minus vierzehn Grad, und es war derart bewölkt, dass ich versucht war, mich ins Bett zu legen und ein Nickerchen zu machen. »Das alles scheint ein bisschen albern, was?«, sagte meine Großmutter.
    Ich konnte mich noch immer nicht dazu durchringen, sie auf unser doppeltes Spiel anzusprechen, und zuckte mit den Schultern.
    »Es ist ja nicht so, dass dein Vater bei der Hotelleitung anrufen würde, um sich zu erkundigen, ob unser Zimmer bewohnt aussieht«, sagte meine Großmutter. Damit hatte sie zweifelsfrei recht. Aufgrund der Kosten führte mein Vater nur äußerst selten Ferngespräche, und die wenigen Male, die er es tat, schrie er derart in den Hörer – schreien war ganz und gar untypisch für ihn –, als könne ihn irgendein Cousin zweiten Grades in Iowa dadurch besser verstehen.
    »War Dr. Wycomb je verheiratet?«, fragte ich.
    »Gladys ist eine Frauenrechtlerin. Sie sagt immer, sie hätteals verheiratete Frau und Mutter nicht Ärztin werden können, und ich denke, sie hat recht. Wollen wir irgendwo einen Tee trinken und uns aufwärmen?«
    Einen Block weiter fanden wir ein nur spärlich besuchtes Café, in dem wir uns an einen kleinen Tisch setzten. Meine Großmutter studierte die Karte. »Hast du schon mal ein Eclair gegessen?« Als ich den Kopf schüttelte, sagte sie: »Wir teilen uns eins. Sie sind schlecht für die Figur, aber unglaublich lecker.«
    »Ist Dr. Wycomb mit Negern befreundet?«
    »Von wem hast du das denn?« Meine Großmutter sah mich prüfend an.
    Es schien mir nicht richtig, meine Mutter zu verraten, also sagte ich: »Ich habe mich das nur gefragt, weil doch so viele in Chicago leben.« Mir war zu dieser Zeit kaum etwas bekannt über die in anderen Teilen des Landes stattfindenden Proteste und Sitzstreiks; hauptsächlich wurde ich von Dena an Rassenunterschiede erinnert, da ihr Vater ihr verboten hatte, Schallplatten von schwarzen Musikern zu hören, und sie mich daher immer bat, Chubby Checker oder die Marvelettes zu spielen, wenn sie vorbeikam.
    »Dr. Wycomb befürwortet die Aufhebung der Rassentrennung, so wie ich, und wie auch du es tun solltest«, sagte meine Großmutter. »Das bedeutet, sie sollen dort essen, leben und zur Schule gehen können, wo wir es tun. Aber wenn es dir um gesellschaftliche Kontakte geht, verbringt Gladys mehr Zeit mit Juden als mit Negern. Viele Juden werden Ärzte, weißt du.« Meine Großmutter sah mich noch immer genau an und fragte dann scheinbar ganz nebenbei: »Du hast keinen Freund, oder?«
    »Nein«, antwortete ich, doch ich konnte spüren, wie mein Gesicht zu glühen begann. Einen Monat zuvor, kurz nach Thanksgiving, hatten Dena und ich uns an einem Samstagabend mit zwei Zwölftklässlern, Larry Nagel und Robert Beike, auf dem Bony Ridge zum Schlittenfahren getroffen. Dena war von Robert eingeladen worden und hatte mich mitgenommen. Larry hatte in der Mantelinnentasche eine Flasche Bourbon versteckt, die wir rumreichten. Mehr als einmal hatte ich an denManhattans meiner Großmutter genippt – manchmal hatte sie mir die Maraschino-Kirsche gegeben –, doch dies war das erste Mal, dass ich außerhalb von zu Hause Alkohol probierte. Ich fühlte Schuldgefühle in mir aufsteigen, doch ich wusste, wenn ich nicht mittrinke, würden mich Dena und die Jungs für das halten, was ich war: brav und langweilig. Also hatte ich alle vier Mal, die die Flasche bei mir vorbeikam, getrunken, und auch wenn mir der Alkohol nicht schmeckte, wärmte und entspannte er mich doch. Vor dem Treffen mit Larry und Robert war ich nervös gewesen, doch nun wurde ich ruhiger und begann mich zu amüsieren. Einmal huschten Dena und ich am Fuß des Hügels zu einer Baumgruppe, zogen unsere Schneehosen runter und pinkelten kichernd und ungeniert in den Schnee. »Schreibt eure Namen in Gelb«, rief Larry uns zu. Am Ende des Abends begleiteten uns die Jungs zurück nach Hause, und von der anderen Straßenseite konnte ich sehen, wie Dena und Robert sich auf der Veranda leidenschaftlich küssten. Minutenlang stand Larry ein ganzes Stück weg von mir – einmal flüsterte er mir zu: »Wenn sie nicht aufpassen, frieren ihnen die Zungen ein« –, doch nachdem sich Robert und Dena voneinander losgerissen hatten und Robert im Flüsterton rief: »Wir müssen los, Nagel«, schoss Larry ohne Vorwarnung auf mich

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