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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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zu, presste seinen Mund auf meinen, und ich spürte seine kalten Lippen und seine warme Zunge. Der Kuss dauerte vielleicht zehn Sekunden und war mit jeder Menge Kopf- und Nackeneinsatz verbunden, als ob Larry an einem Tortenwettessen teilnahm. Dann war er schon die Treppe hinunter und rannte mit Robert die Amity Lane entlang. Als die beiden weit genug weg waren, trafen Dena und ich uns auf der Straße und bemühten uns, nicht loszukreischen, während wir uns aneinanderklammerten. »Ihr zwei habt
geknutscht
«, zischte sie. Bis zu dem Kuss war ich nicht unbedingt davon ausgegangen, von Larry geküsst werden zu wollen, aber jetzt, nachdem er es getan hatte, war ich froh. In den seither vergangenen vier Wochen hatten Robert und Dena richtige Dates gehabt, während Larry und ich auf dem Schulflur nur flüchtig grüßend aneinander vorbeigelaufen waren.
    Jetzt, im Café, sagte meine Großmutter zu mir: »Du solltest einen Kavalier haben. Als ich das letzte Mal bei Dr. Ziemniak war, hat er mir ein Bild von Roy gezeigt, der zu einem attraktiven Burschen heranzuwachsen scheint.« Dr. Ziemniak war unser Zahnarzt.
    »Roy Ziemniak ist klein«, sagte ich.
    »Was sind wir doch wählerisch. Dann Eugene Schwab.« Die Schwabs wohnten zwei Häuser neben uns.
    »Eugene geht mit Rita Sanocki.«
    »Doch nicht etwa mit der Tochter von Irma und Morris?«
    Ich nickte.
    »Ich fand schon immer, sie hat ein Gesicht wie ein Schweinchen.«
    »Granny!«
    »Du hast gesagt, Roy Ziemniak wäre klein, mein Schatz. Und ich möchte Rita gegenüber nicht herzlos sein, aber du sollst wissen, was ich meine. Es sind ihre Augen und die Nase.« Die Bedienung kam, um unsere Bestellung aufzunehmen, und als sie wieder weg war, sagte meine Großmutter: »Als ich in deinem Alter war, hatte man schon zweimal um meine Hand angehalten. Es wird Zeit, dass du anfängst, dich zu verabreden.«
     
    »Wir haben einen Gentleman für dich gefunden«, verkündete Dr. Wycomb am darauffolgenden Abend während des Essens. Es gab Lammkarree, Brötchen mit Butter und Artischocken – eine weitere Speise, die ich bislang nicht gekannt hatte und die Dr. Wycomb offenbar einmal im Jahr in einer Kiste aus Kalifornien erhielt. Meine Großmutter hatte mir gezeigt, wie man die Blätter abbrach und in Butter tunkte, wie man das Fleisch elegant mit den Vorderzähnen löste. »Marvin Benheimer ist der Sohn eines Kollegen, eines Gastroenterologen«, sagte Dr. Wycomb zu mir. »Er ist im zweiten Jahr an der Yale University, und er ist sehr groß. Morgen um sieben holt er dich ab.«
    »Was für ein Spaß«, sagte meine Großmutter.
    »Er holt mich
hier
ab? Morgen?«
    »Es ist Silvester«, sagte meine Großmutter. »Wir dachten,wir tun dir etwas Gutes, nachdem du die ganze Woche mit uns alten Damen verbracht hast.«
    »Ich verbringe gern Zeit mit euch.«
    »Du musst ihn ja nicht gleich heiraten, Alice«, sagte meine Großmutter. »Sieh es von der praktischen Seite. Es ist wichtig, zu wissen, wie man sich in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen zu verhalten hat.«
    Ich konnte ihr schlecht sagen, dass sie mich unterschätzte – ich hatte vielleicht noch keine richtigen Verabredungen gehabt, aber Larry Nagel war nicht der erste Junge gewesen, den ich geküsst hatte. An Pauline Geisselers vierzehntem Geburtstag in der neunten Klasse hatten wir Flaschendrehen gespielt, und Bobby Sobczak hatte mich küssen müssen, und als ich an der Reihe war, hatte die Flasche auf Rudy Kuesto gezeigt. Beide hatten nach den Erdnüssen von der Party geschmeckt.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Dr. Wycomb. »Marvin ist ein anständiger junger Mann. Ihr geht zusammen etwas essen, dann bringt er dich ins Palmer House, wo deine Großmutter und ich uns mit seinen Eltern auf einen Drink treffen werden. Später feiern wir dann gemeinsam ins neue Jahr. Das klingt nicht allzu schrecklich, oder?«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte meine Großmutter ihre Gabel abgelegt und sagte freudestrahlend: »Es klingt perfekt.«
     
    Er trug Jackett und Krawatte, ich den Schottenrock und die Bluse von der Zugfahrt, jedoch ohne den runden Anstecker und den grünen Wollpullover. »Der ist zu maskulin«, hatte meine Großmutter über den Pullover gesagt, als ich ins Wohnzimmer gekommen war, um ihr und Dr. Wycomb meine Garderobe zu zeigen, und auf meinen Protest, dass es kalt sein würde, hatte sie geantwortet, es sei nur ein kurzes Stück zu Fuß ins Restaurant. Bevor wir gingen, hielt Marvin ein Schwätzchen mit den beiden

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