Die Frau des Praesidenten - Roman
Fundament aufgebaut. Andererseits fragte ich mich, ob es nicht pubertär war, sich Gedanken über anderer Leute Probleme zu machen und sich bei den Nachrichten in der Zeitung oder im Fernsehen zusammenreißen zu müssen, um nicht in Tränen auszubrechen. Für so viele Menschen war das Leben so hart, türmten sich so unüberwindliche Probleme auf. Andere Erwachsene schien diese Ungleichheit nicht weiter aufzuregen und schon gar nicht zu überraschen, aber für mich blieb sie immer unbegreiflich und hörte nie auf, mich aus der Fassung zu bringen.
Ich hatte mich zu Jadey umgedreht und auf die Szenerie vor uns gedeutet. »Macht das alles dir manchmal Schuldgefühle?«
»Was alles?«, fragte sie.
»Ich lese gerade diesen Artikel über einen Mann in Walnut Hill, der eine Hepatitis hat, und dabei wird mir klar, dass mein größtes Problem darin besteht, wie ich meine Tochter dazu bekomme, mehr Gemüse zu essen. Hast du jemals das Gefühl, du müsstest ein vollkommen anderes Leben führen?«
»Oh, na klar.« Jadey nickte verständnisvoll. »Ich wollte auch mal im Friedenscorps dienen. Stell dir nur mal vor, ich wäre zum Beispiel in Sambia gelandet. Wie hätte ich es wohl länger als zehn Minuten ohne meinen Föhn ausgehalten?«
Auch wenn ihre Antwort warm und freundlich klang, hütete ich mich, weiter auf meinem Anliegen zu bestehen – sie war ihm ausgewichen, wie sie sonst den Beleidigungen und Forderungen unserer Schwiegermutter auswich –, und fragte mich, ob ich schon jetzt gegen ungeschriebene Gesetze verstoßen und mich als schwerblütige und selbstgerechte Grüblerin ins Abseits gestellt hatte. Es war nicht richtig, bei einem Sonnenbad am Pool das Gespräch auf Armut und Leid zu bringen. Entweder musste man sich anderswo hinbegeben und etwas an den Zuständen ändern oder sich ganz dem Sonnenbad widmen, mit der dazugehörigen inneren Haltung. Im Garden Club gab es eine ältere Frau, Mary Schmidbauer, mit der zusammen ich drei oder vier Jahre zuvor ein Treffen ausgerichtet hatte. Als ich ihr vorschlug, es wie üblich im kleinen Speisesaal des Clubhauses abzuhalten, sagte sie: »Versteh mich bitte nicht falsch, meine Liebe, aber ich bin dort nicht mehr Mitglied, seit mein Mann von uns gegangen ist. Sie halten nicht viel davon, Frauen allein zuzulassen, und sie haben sich ohnehin immer geweigert, Juden oder Schwarze aufzunehmen. Als Kenneth starb, hatte ich einfach genug von alledem.« Ich war gründlich ernüchtert, und wir hatten schließlich das Treffen bei mir zu Hause abgehalten.
An jenem Samstag hatten Jadey, Ella, Winnie und ich, nachdem wir eingecheckt hatten – wir hatten vor dem Tresen Schlange stehen müssen, was sonst nie passierte –, im Südosten des Schwimmbeckens Liegestühle ergattert, hinter dem Hochsitz des Bademeisters, und Ella und Winnie hatten sich gehorsam von Jadey und mir den Rücken eincremen lassen. Kaum dass wir damit fertig waren, rannte Ella ihrer Cousine hinterher zum Beckenrand, und sie tauchten mit einem Kopfsprung ins Wasser. Beiden war an ihrer perfekten Haltung anzusehen, dass sie Unterricht in diesen Dingen gehabt hatten. Jadey verstellte die Lehne ihres Liegestuhls ein Stück nach hinten, machte essich bequem und ließ ihren Blick über die Szenerie schweifen. »Ist das nun ein wunderschöner Tag, oder was?«
Das war es, unbestreitbar: Es war sonnig und windstill bei etwas über zwanzig Grad. Jadey beugte sich zu ihrer Tasche herab, die zwischen unseren Liegestühlen auf den Steinfliesen lag, holte zwei Zeitschriften heraus und hielt sie nebeneinander hoch: eine Ausgabe der Illustrierten
People
und eine
Architectural Digest
. »Welche willst du?«
Ich zeigte auf die
Architectural Digest
, und sie sagte: »Ich hatte gehofft, dass du die nehmen würdest, weil ich
unbedingt
wissen muss, was Lady Di gerade so treibt.«
Als wir so freundschaftlich nebeneinandersaßen, in unseren Illustrierten blätterten und hier und da ein paar Zeilen vorlasen oder einander Fotos zeigten, war die Versuchung groß, ihr zu erzählen, was Charlie mir über seine Pläne mit den Brewers gesagt hatte. Aber das durfte ich nicht; Charlie hatte mich ausdrücklich gebeten, es nicht zu tun, und ich konnte es ihm nicht verdenken. Was ich Jadey anvertraute, würde sie bestimmt Arthur weitersagen, der es John und ihren Eltern erzählen würde, und bald schon wüsste es wahrscheinlich ganz Wisconsin, vielleicht auch halb Washington.
In der vorherigen Nacht, als Charlie es mir sagte, hatte ich
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