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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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nächsten Morgen brachte ich Ella zur Schule und hätte problemlos mein Auto parken und mit Nancy Dwyer sprechen können – das Büro für Anmeldungen und Stipendienangelegenheiten lag auf demselben Flur wie Ellas Klassenzimmer –, aber ich wollte nicht ohne Termin bei ihr hereinplatzen. Charlie war schon zur Arbeit gefahren, als ich wieder nach Hause kam (er hatte beschlossen, Arthur, John und dem Rest der Familie erst dann von seinen Plänen zu erzählen, wenn der Handel perfekt war, eine Strategie, die sich jetzt als klug erwies). Ich ging die Treppe hinauf und setzte mich an meinen Schreibtisch im Flur des ersten Stocks. Als ich Nancys Nummer wählte, bewegtensich draußen die langen Zweige einer Trauerweide im Wind, ein vergrößertes Abbild des Freundlichen Baums aus Pappmaché auf meinem Schreibtisch. Nancy meldete sich, und ich sagte: »Hier spricht Alice Blackwell. Störe ich Sie gerade?« Ich rief einen Tag vor Ende des Schuljahres an, wusste aber auch, dass die Leute auf den organisatorischen Posten oft nicht demselben Zeitplan folgten wie die Lehrer und die Schüler.
    »Überhaupt nicht«, sagte Nancy. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich hoffe, das klingt nicht allzu merkwürdig, aber ich kenne … wir kennen ein Mädchen in einer befreundeten Familie, die gerade die sechste Klasse abschließt – ihre Großmutter steht Charlies Familie sehr nahe –, und ich habe mich gefragt, ob es nicht irgendwie möglich wäre, sie im Herbst in die siebte Klasse aufzunehmen.«
    »Diesen Herbst meinen Sie, in drei Monaten?« Nancy lachte, aber es klang nicht unfreundlich. Wir kannten einander nicht besonders gut. Zum ersten Mal waren wir uns begegnet, als Ella sich mit drei Jahren um die Aufnahme in Biddle beworben hatte – keine sehr ernst zu nehmende Bewerbung, wenn man bedenkt, dass sie nur daraus bestanden hatte, dass wir versicherten, sie sei trocken und werde die anderen Kinder nicht beißen, und dass außerdem John der Vorsitzende des Stiftungsrates der Schule war. John witzelte gern, dass sie in Nancys Büro auf den Teppich hätte scheißen müssen, um nicht aufgenommen zu werden, und selbst dann hätte man sie vermutlich zugelassen.
    »Mir ist klar, dass das nicht einfach ist.«
    »Aber auch nicht unmöglich«, sagte Nancy.
    »Es gibt da noch etwas«, sagte ich. »Ich nehme an, dass sie in voller Höhe finanziell unterstützt werden müsste, oder annähernd zumindest.«
    »Oje, Alice.«
    »Sie ist Afro-Amerikanerin«, fügte ich hinzu. »Vielleicht macht es das leichter? Aber vor allem ist sie einfach unglaublich aufgeweckt und nett, sie leitet die Jugendgruppe in ihrer Gemeinde, ist in der Schülervertretung und liest leidenschaftlich gern. Sie war bisher auf der Harrison Elementary und soll jetztin der Stevens anfangen, und im Vertrauen gesagt, Nancy, allein der Gedanke, dass dieses überaus talentierte Mädchen …«
    »Ja, ich weiß«, sagte Nancy. »So was bricht einem das Herz.« Sie seufzte. »Lassen Sie mich darüber nachdenken und Ihnen dann Bescheid geben. Allerdings ist jetzt schon abzusehen, dass es Schwierigkeiten mit der finanziellen Unterstützung geben wird. Auch wenn die siebte Klassenstufe gerade dieses Jahr sehr voll sein wird, lässt es sich meistens irgendwie einrichten, noch ein Kind zusätzlich aufzunehmen. Aber die Stipendiengelder sind schon vor Monaten zugeteilt worden, und da gibt es keinen Spielraum.«
    Biddles Stiftungsvermögen belief sich, soweit ich wusste, auf fünf Millionen Dollar, und ich sah ein, dass es nicht klug gewesen wäre, es anzugreifen, aber andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass fünfeinhalb tausend Dollar – das Schulgeld für die siebte Klasse – irgendeine Rolle spielen würden.
    »Wir könnten sie für den Herbst ’89 ganz oben auf die Liste setzen«, sagte Nancy. »Aber da die Chancen, sie finanziell zu fördern, dieses Jahr so schlecht stehen, zögere ich etwas, die Anmeldung in die Wege zu leiten. Ich will sie nicht auf den Campus holen, nur um sie gleich wieder wegschicken zu müssen.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich. »Vielen Dank, dass Sie überhaupt darüber nachdenken.«
    »Sagen Sie mir mal ihren Namen.« Ich hörte Nancy mit einem Blatt Papier rascheln.
    »Jessica Sutton«, sagte ich so langsam und deutlich, dass sie mitschreiben konnte.
    »Also, Alice, ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber die Person, an die Sie sich in dieser Angelegenheit eigentlich wenden müssten, ist Ihr Schwager John. Haben Sie mit ihm darüber

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