Die Frau des Praesidenten - Roman
hatte ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Megan mochte ich davon abgebracht haben, ihre Entdeckung ihren Freunden mitzuteilen, oder auch nicht. Aber war es nicht naiv, auf Carolyns Diskretion zu hoffen? Vielleicht würde sie die Geschichte für sich behalten, um Megan zu schützen, aber ich wusste, wie schwer es war, dem Sog von Klatsch und Tratsch zu widerstehen. Als ich nach diesem Gespräch mit Carolyn den Hörer aufgelegt hatte, spürte ich, wie drückend und klaustrophobisch die Atmosphäre in Maronee immer wieder werden konnte.
»Ist es was Ernstes?«, fragte Charlie.
»Ich werde es dir ganz bestimmt noch heute Abend erzählen.«
»Gib mir einen Tipp. Wie viele Silben hat es? Worauf reimt es sich?«
»Während der Feier ist Megan Thayer in unser Schlafzimmer gegangen und hat sich deine
Penthouse -Sammlung
angesehen.«
Ich kann nicht behaupten, dass es mich vollkommen überraschte,als Charlie in Gelächter ausbrach. Wünschte ich mir nicht insgeheim, von ihm zu hören, wie unwichtig die ganze Affäre war, dass es albern war, mich so sehr zu schämen? »Meinst du, sie ist eine Kampflesbe?«, prustete er. »Immerhin hat sie die Figur eines Linebackers.«
»Nur damit du’s weißt, ich hatte heute Nachmittag ein sehr unangenehmes Gespräch mit Carolyn. Ich hoffe, dass daraus nicht so ein Gerücht wird, das …«
Charlie unterbrach mich. »Welches Gespräch mit Carolyn Thayer ist denn
nicht
unangenehm? Und, Herzchen, wenn man sich rumerzählt, dass ich mir die
Penthouse
ansehe, ist das kein Gerücht. Weißt du was? Das ist mir scheißegal. Ich wette, mindestens die Hälfte der Kerle hier in Maronee schüttelt sich zu Tittenmagazinen einen ab.«
»Aber wenn Jadey davon hört, oder Nan …«
Er lachte wieder. »Ihre Ehemänner haben mir doch alles über Pornos beigebracht. Jetzt beruhige dich mal. Und vergiss nicht, im Club für halb acht einen Tisch zu bestellen.«
Ich schwieg einen Moment, dann sagte ich: »Nein. Es tut mir leid, aber es geht nicht. Wir haben ein ereignisreiches Wochenende vor uns, und ich will morgen früh nicht dem Flieger hinterherlaufen müssen. Ich brauche einen ruhigen Abend, um mich vorzubereiten.«
»Lindy, ich habe heute ein verdammtes Baseballteam gekauft!«
»Hör bitte auf zu fluchen, Charlie.«
»Dann führ dich auch nicht auf wie ein Miststück.«
Ich hielt den Hörer von meinem Ohr weg, als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Dass Charlie grob sein konnte, war keine Überraschung mehr, aber dass er es mir gegenüber war – das war nicht immer so gewesen. Früher hatte ich das Gefühl gehabt, dass er mit mir viel liebenswürdiger und aufmerksamer umging als mit irgendwem sonst, und als Kontrast dazu hatte mir seine vulgäre Ader geradezu geschmeichelt. Aber inzwischen fand ich mich mit allen anderen im Partykeller wieder, wo von mir erwartet wurde, Bier zu kippen und über halbseideneWitze zu lachen, während man mir etwas zu derb auf den Rücken klopfte.
Ich dachte noch, Charlie sei genauso verstört wie ich von dem, was er gerade gesagt hatte, aber als er weitersprach, war nicht Reue, sondern Verärgerung in seiner Stimme –
er
ärgerte sich über
mich
. »Dann wünsche ich noch viel Spaß bei deinem ruhigen Abend«, sagte er. »Ich werde inzwischen zusehen, ob ich nicht jemanden finde, der ein bisschen mehr in Feierlaune ist.«
Als das Telefon noch einmal klingelte, hoffte ich, es sei Charlie, der sich wieder beruhigt hatte, aber es war Joe Thayer. »Ich habe von Carolyn gehört, was bei der Feier passiert ist«, sagte er, »und ich …«
»Joe, ich schäme mich furchtbar. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut. Ich hoffe nur, dass Carolyn und du …«
Ich hatte ihn unterbrochen, und jetzt unterbrach er mich. »Ich wusste, dass du dich dafür geißeln würdest, und bestimmt hast du von Carolyn einiges zu hören bekommen, aber zerbrich dir bitte nicht den Kopf, Alice. Du kannst mir glauben, dass Caro in letzter Zeit eine ziemliche Wut mit sich herumträgt. Natürlich wäre es allen lieber, wenn das nicht passiert wäre, dir genauso wie uns, aber wenn das das Schlimmste ist, das Megan je zu Gesicht bekommt, hat sie noch Glück gehabt. Ich bin einfach erschüttert, was heutzutage schon im Fernsehen läuft – hast du mal die Serie
Eine schrecklich nette Familie
gesehen?«
»Ich habe davon gehört. Joe, ich danke dir für dein Verständnis, aber ich möchte, dass du weißt, dass es mir
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