Die Frau des Praesidenten - Roman
Wir schlossen uns hinter ihnen der Parade an, und Ella brachte Charlie dazu, die Lokomotive ’68 anzustimmen:
Hip, hip! Rah, rah, rah! …
Alle jüngeren Absolventen jubelten, als wir an ihnen vorüberzogen, und wir winkten ihnen wie Würdenträger zu. Der Umzug endete auf dem Baseballfeld, wo wir auf Ellas Drängen – sie wollte Harry sehen – warteten, bis der jüngste Jahrgang hereingelaufen kam, die Seniors, die dieses Jahr ihren Abschluss machten und jetzt vom Präsidenten der Universität offiziell zu Princeton-Alumni ernannt wurden. »Wenn ich mal nach Princeton gehe, will ich über dem Blair Arch wohnen«, sagte Ella.
»Dann wirst du ziemlich viel Glück beim Zulosen brauchen«, antwortete Charlie.
»Und du solltest dich in der Schule ordentlich anstrengen«, fügte ich hinzu.
Weil ich mir Mühe gab, wohlorganisiert zu sein, wusste ich Organisationstalent bei anderen immer sehr zu schätzen, und eins muss ich sagen: Das Jahrgangstreffen in Princeton war außergewöhnlich gut choreographiert. Die vielen Zelte, Absperrungen und Klappstühle, die Bierbecher und die Uniformen sowie die Vorträge und A-cappella-Konzerte, die überall auf dem Campus zu sorgfältig aufeinander abgestimmten Zeiten stattfanden! Was dieses eine Wochenende an Planungsarbeit verschlungenhaben musste, war schwindelerregend, und doch verlief alles völlig reibungslos. Für die Kinder wurden an dem Abend in einem der Gebäude zwei Filme vorgeführt,
Zurück in die Zukunft
und
Splash
, und im Zelt spielte für die Erwachsenen eine Beatles-Coverband. Beim Abendessen – es gab Schweinefleisch vom Grill, Kartoffelsalat, Maiskolben und Maisfladen – war Charlie unruhig und zugleich sehr liebevoll mir gegenüber. Ich führte ein längeres Gespräch mit Mimi Bryce, der Ehefrau eines seiner Kommilitonen, die ich schon beim zehnten Jahrgangstreffen kennengelernt hatte und die in einer Privatschule für Mädchen in der Nähe von Boston unterrichtete. Wir unterhielten uns sicher vierzig Minuten lang, und in dieser Zeit kam Charlie dreimal zu mir rüber. »Komm, Lindy, zeig mir mal, was du drauf hast!«, sagte er, und: »Charlie Blackwell wartet auf niemand, Baby, auch nicht auf dich.« Schließlich griff er einfach nach meiner Hand und zerrte daran. Ich entschuldigte mich bei Mimi und ließ mich von ihm zur Tanzfläche ziehen.
»Ich habe mich gerade sehr nett unterhalten.«
»Sie spielen ›Can’t Buy Me Love‹, und du willst dich lieber über den Lehrplan der vierten Klassen unterhalten?«
Tatsächlich war »Can’t Buy Me Love« fast zu Ende, und die Band ging gerade zu »Twist and Shout« über. Charlie sang überschwänglich mit. Er zeigte auf mich und verzog das Gesicht wie ein Soulsänger: »You know you twist so fine (twist so fine) / Come on and twist a little closer, now (twist a little closer) …« Er winkte mich mit einem Finger zu sich heran und ließ mich herumwirbeln. Bei »Shake it up« hob er die Arme und schüttelte sie tatsächlich über dem Kopf. Als das Lied zu Ende ging, zog er mich zu sich heran, griff nach meinem Hintern und küsste mich hart auf den Mund. »Gehen wir aufs Zimmer und schieben schnell eine Nummer, bevor Ella zurückkommt?«
»
Charlie.
«
Er grinste. »Warum nicht? Es dauert bestimmt nicht lange, versprochen.« Dann hob er eine Hand und drückte meine linke Brust. »Du wirst es nicht bereuen.« Ich wich einenSchritt zurück. Die Tanzfläche war ebenso wie das gesamte Zelt voller Menschen, und niemand schien uns zu beobachten, aber ich war trotzdem wie vor den Kopf gestoßen.
»Charlie, wir sind doch keine Tiere«, sagte ich. »Das kannst du doch nicht in aller Öffentlichkeit tun.«
»
Du
bist vielleicht kein Tier. Ich bin ein Tiger, Baby.« Er war ganz rot im Gesicht.
»Ich möchte, dass du jetzt aufhörst zu trinken.«
Er schnitt eine hämische Grimasse. »Willst du dich lieber wieder mit Mimi unterhalten? Ich habe gehört, dass sie ein paar faszinierende Thesen zu Dr. Seuss auf Lager hat.«
Ich atmete tief durch. »Ich werde mich bemühen, dir nicht den Abend zu verderben, wenn du bereit bist, dasselbe für mich zu tun.«
Er grinste noch immer. »Lindy, du könntest mir meinen Abend nicht mal verderben, wenn du es versuchen würdest.«
In dem Moment kam ein Kommilitone von Charlie namens Wilbur Morgan auf uns zu. Er schien nicht bemerkt zu haben, dass wir uns gerade stritten, zeigte mit dem Daumen auf Charlie und sagte zu mir: »Es geht das Gerücht, dass dieser Mann hier gerade ein
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