Die Frau des Praesidenten - Roman
offen war.
Im Jubiläumszelt, wo die Band gerade »Dancing in the Street« spielte, sagte Charlie zu mir: »Bist du sicher, dass du nicht noch mal wiederkommen willst? Es ist so viel schöner, wenn du dabei bist.«
Das war eine so freundliche, schlichte Aussage, dass mir der Atem stockte. Ich hatte mich selbst in der letzten Zeit nicht gerade als Quell der Freude wahrgenommen, jedenfalls nicht für Charlie. Ich trat an ihn heran und küsste ihn auf den Mund. »Ich fände es auch schön. Denk dran, dich ein bisschen zu schonen, morgen gibt es schließlich auch noch viel Programm.«
Charlie salutierte. »Schick Ella her, damit ich ihr gute Nacht sagen kann.«
Schließlich hatte ich es geschafft, Ella ihrem neuen Freund zu entwinden, sie hatte Charlie auf die Wange geküsst, und wir machten uns auf den Weg zum Wohnhaus. Als wir gerade ein paar Treppenstufen hinunter und durch einen Torbogen liefen, murmelte Ella träumerisch: »Ich
liebe
Princeton.«
Die Campusparade – das Herzstück des Treffens – begann am Samstagnachmittag um zwei Uhr. Wir standen zu Tausenden nach Jahrgängen aufgereiht auf dem Cannon Green, und alle vertrieben sich die Wartezeit mit spielerischen Raufereien und Biertrinken (die Princetonianer waren der einzige mir bekannte Menschenschlag, der ebenso viel trinken konnte wie die Bewohner von Wisconsin, ohne ausfällig zu werden oder umzukippen), und immer wieder liefen sich alte Bekannte über denWeg und wurden begeistert begrüßt. Es war ein sonniger Tag, um die fünfundzwanzig Grad – vor dem Treffen wurde immer lebhaft diskutiert, ob es diesmal sengende Hitze oder sintflutartigen Regen geben würde –, und als die Parade endlich begann, kochte die Menge vor Energie. Der Zug wurde von den ’63ern angeführt, die in diesem Jahr ihr fünfundzwanzigstes Jubiläum feierten. Diese Zahl galt als eine Art Gipfelpunkt, dabei waren diese Männer doch gerade erst siebenundvierzig Jahre alt! Ich hielt Ausschau nach Joe Thayer, konnte ihn aber in dem Chaos aus Menschen, Lärm und Sonnenlicht nicht entdecken. Sie wurden gefolgt von dem ältesten Alumnus, der es noch hierher geschafft hatte – ein alter Herr namens Edwin Parrish, der seinen Abschluss 1910 gemacht hatte und dem die Ehre zuteil wurde, einen speziellen silbernen Gehstock zu führen. Er wurde von einem Studenten im Golfcart kutschiert und von den Umstehenden ausgiebig bejubelt. Danach folgten alle anderen in chronologischer Reihe, die Ältesten zuerst, und jeder Abschlussjahrgang trug ein Banner mit seiner Jahreszahl vor sich her. Die Banner waren zwischen zwei Stangen gespannt, schwarz mit orangefarbenem Rand und orangefarbener Schrift. Für die sogenannte alte Garde wurden sie von Studenten oder von den Enkelkindern der Absolventen getragen; die etwas Jüngeren trugen ihre Banner selbst. Viele von der alten Garde wurden in Golfcarts chauffiert, und manchmal saßen darin nicht die Männer selbst, sondern ihre Witwen. Ich war offenbar nicht die Einzige, die diesen Anblick berührend fand; auch um mich herum sah ich viele Zuschauer mit den Tränen kämpfen. Jedes Mal wenn sich zwischen diesen Senioren einer fand, der die Strecke zu Fuß absolvierte – ein erstaunlich rüstiger Absolvent des Jahrgangs 1916, der weit über neunzig sein musste, tanzte fast dabei –, erreichte der Jubel eine ohrenbetäubende Lautstärke. So weit das Auge reichte, sah man orangefarbene Trainingsanzüge, schwarz-orangefarbene Jacketts und Hosen, T-Shirts und Mützen, Strohhüte mit passenden Hutbändern, Kinder und Erwachsene mit Tigerschwänzen aus Plüsch. Einige Absolventen fuhren hupend in Oldtimern vorüber, und die Jubiläumsjahrgänge hatten zur Feier des TagesKünstler angeheuert, Highschool-Blaskapellen, Bauchtänzerinnen oder sogar einen Feuerschlucker, die ihrem Banner vorausgingen. Charlie beugte sich grinsend zu mir und sagte: »Reiche Leute sind eben bizarr, oder?« Das waren natürlich meine eigenen Worte, die ich an jenem volltrunkenen Abend in Halcyon geäußert hatte, und als er jetzt meine Hand drückte und sie dann losließ, um den Absolventen von 1943 zu applaudieren, dachte ich daran, dass es zumindest in dieser Hinsicht richtig gewesen war, ihn zu heiraten: Durch Charlie war so viel Farbe in mein Leben gekommen.
Wir warteten und warteten, bis der Jahrgang ’65 an uns vorüberzog, dann ’66, dann ’67 – sie hatten die ganze Zeit über links von uns auf dem Cannon Green gestanden –, und dann waren endlich wir an der Reihe.
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