Die Frau des Praesidenten - Roman
besser aufpassen sollen, mit wem sie sich zusammentun?«
»Als ob sie auf uns hören würden.«
Wir saßen freundschaftlich schweigend nebeneinander; von den Festzelten klang die Musik der verschiedenen Bands leise zu uns herüber. »Ich schätze, ich habe immer was für dich übrig gehabt«, sagte Joe. »So wie die Dinge standen, hat mich das immer dazu gebracht, mich von dir fernzuhalten – nicht wörtlich genommen, aber innerlich.« Als ich nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: »Ich hoffe, es ist dir nicht unangenehm, wenn ich das sage.«
»Joe, ich fühle mich geehrt.« Ich berührte sein Knie, rein freundschaftlich natürlich, aber sobald ich es getan hatte, wurde mir klar, dass er diese Berührung als Annäherungsversuch verstanden haben könnte, und vielleicht war sie das sogar. Ich hatte die Orientierung verloren – dieser Prozess hatte schon vorher begonnen, an irgendeinem unbestimmten Punkt meiner Vergangenheit, aber jetzt war sie mir völlig abhandengekommen.
»Ich will nicht versuchen, dir in Bezug auf Charlie irgendeinen Rat zu geben«, sagte Joe. »Das alles geht mich nichts an. Aber wenn es jemals eine Chance geben sollte … und ich weiß, dass wir, mit Halcyon und mit meiner und seiner Familie, dass wir in ein Wespennest stechen würden, aber wenn du jemals glaubst, du und ich …«
Ich unterbrach ihn mit einem Kuss. Ich beugte mich abrupt zu ihm hinüber und presste meine Lippen auf seine, und wir küssten einander gierig. Zuerst war es überwältigend, es war verboten und falsch und aufregend, aber schon nach kurzer Zeit fiel mir ein wenig schmeichelhafter Unterschied zwischen seiner Art zu küssen und Charlies auf. Joe war nicht so begabt. Es war so lange her, dass ich irgendjemand anderen als meinen Mann geküsst hatte, dass ich ganz vergessen hatte, wie unterschiedlich es sein konnte und welche Rolle dabei die Begabung spielte. Joe speichelte ein bisschen – ich kam mir grausam dabei vor, das zu bemerken –, seine Zunge und seine Lippen waren ein wenig zu feucht. Ich wich zurück, stand hastig auf undlegte eine Hand auf meine Brust. »Joe, ich … ich kann … ich muss Ella finden.«
Er sah mich voller Leidenschaft an.
Da ich nicht mehr wusste, was ich hätte tun oder sagen können, verfiel ich auf eine Geste, die einem Knicks nicht unähnlich war. »Verzeih mir«, sagte ich und eilte davon. Ich konnte mein Verhalten nicht mal dem Alkohol zuschreiben: Joe hatte soeben zugegeben, dass er angetrunken war, aber ich war vollkommen nüchtern.
Nachdem Ella eingeschlafen war, packte ich unsere Koffer – wir würden am Sonntag um ein Uhr von Newark aus zurückfliegen. Die Fragen, die mir im Kopf herumgingen, klangen klischeehaft und abgedroschen, als hätte ich sie schon einmal von einer naiven Ehefrau in einem Film gehört oder in einer Gesundheitssendung über Drogen im Fernsehen: Seit wann? Wie oft? Und warum? Wenn ich Charlie fragte
warum
, würde vielleicht meine Stimme zittern und ihm verraten, wie sehr ich mich hintergangen fühlte.
Aber – nein. Ich wollte nicht diese Klischee-Ehefrau sein, wollte dieses Gespräch nicht führen. Das war unter meiner Würde; es würde nur bedeuten, Charlies schlimmsten Verhaltensweisen eine Aufmerksamkeit zu schenken, die sie nicht wert waren.
Er kam früher zurück, als ich erwartet hatte, noch vor Mitternacht. Eher beiläufig als verärgert sagte er: »Ich wusste nicht, wo du hingegangen warst«, und ich legte einen Finger auf die Lippen und wies zu Ella. Leiser fuhr er fort: »Die Band war doch scheiße, wenn du mich fragst. Schon das Konzept einer Coverband finde ich armselig, vom Ruhm anderer Leute zu leben.«
Hatte er irgendwas bemerkt? Er schien völlig ahnungslos. Ich hatte gerade eine seiner Hosen zusammengelegt und packte sie in unseren Koffer.
Charlie kam näher und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Du bist doch nicht sauer wegen vorhin, oder?« Also ahnte er doch etwas, aber er hatte eine so verengte, verwässerteVorstellung davon, dass es fast genauso war, als hätte er gar nichts bemerkt. »Du weißt doch, was mit mir passiert, wenn ich mit diesen Sackgesichtern zusammen bin.« Er beugte sich vor, um mich zu küssen. »Das weckt den Achtzehnjährigen in mir.« Er grinste, und ich war verblüfft – wie konnten unsere Wahrnehmungen von unserer Beziehung so absurd weit auseinanderliegen? – und zugleich erleichtert darüber, dass ich mich dagegen entschieden hatte, ihn zur Rede zu stellen. Es war die richtige
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