Die Frau des Praesidenten - Roman
Dank auch für die Bücher. Jessie sieht man gar nicht mehr ohne, seit Sie die vorbeigebracht haben.« Ich wollte etwas darauf antworten, aber Yvonne fuhr mit verändertem Tonfall fort. »Leider gibt es da noch einen anderen Grund, aus dem ich anrufe. Alice, Mama würde es Ihnen selbst nie sagen, deshalb muss ich es tun: Sie kann nicht noch eineNacht in Maronee bleiben. Ich will weiß Gott nicht meine Nase in Ihre persönlichen Angelegenheiten stecken, aber es geht einfach nicht, dass eine Frau von dreiundsechzig Jahren für einen erwachsenen Mann den Babysitter spielt.«
»Heißt das, dass Miss Ruby …« Ich stockte. »Ich muss leider zugeben, dass ich nicht genau weiß, was da vorgeht. Hat Charlie Miss Ruby gebeten, in unserem Haus zu übernachten?«
»Nicht in Ihrem Haus, nein, in dem von Mr. und Mrs. Blackwell. Alice, Mama würde alles für Charlie tun, er hat sie schon immer um den Finger gewickelt, aber sie ist zu alt für so was. Sie muss in ihrem eigenen Bett schlafen.«
Natürlich – natürlich übernachtete Charlie nicht im Maronee Drive. Er wohnte im Haus seiner Eltern, und Miss Ruby übernachtete in ihrer Kammer neben der Küche. Wahrscheinlich machte sie ihm auch Frühstück und Abendbrot.
»Sie haben völlig recht«, sagte ich. »Es tut mir leid, und ich bin froh, dass Sie angerufen haben. Ich weiß nicht, ob Ihre Mutter es je erwähnt hat, aber Charlie … Das klingt vielleicht merkwürdig, aber er fürchtet sich im Dunkeln.«
»O ja, ich weiß.« Yvonne lachte. »Glauben Sie mir, wir kennen alle die Monster unter Charlie Bs Bett.«
»Mir ist klar, dass das etwas ungewöhnlich ist.«
»Ich will niemanden verurteilen.« Yvonnes Tonfall klang, als sei ihr das in diesem Fall nicht geglückt. »Ich mache mir nur Sorgen um Mama. Ich habe Jadey angerufen, und sie wusste nicht, wann Sie zurück sind, aber sie hätte nichts dagegen, Charlie bei sich unterzubringen. Wenn Sie ihn also anrufen würden – oder ich könnte bei ihm anrufen, wie auch immer. Auf Sie würde er vielleicht eher hören, aber wenn Sie …«
»Ich verspreche Ihnen, mich darum zu kümmern«, sagte ich. »Heute Nacht werden alle wieder in ihren eigenen Betten schlafen.«
Gleich nach unserer Rückkehr nach Maronee brachte ich Ella bei Jadey vorbei. Jadey schrie vor Freude laut auf, als sie mich sah, und war sofort einverstanden, mit den beiden Mädchenschwimmen zu gehen, wenn ich mich dafür mit ihr zu einem abendlichen Spaziergang verabredete. Dann fuhr ich zu uns nach Hause, um die Post durchzusehen, den Anrufbeantworter abzuhören, im Kühlschrank die verdorbenen Lebensmittel auszusortieren, den Müll rauszutragen und das Bett frisch zu beziehen, nachdem Charlie vermutlich genau eine Nacht darin geschlafen hatte – oder es zumindest versucht hatte. Ich fuhr zu seinem Elternhaus und traf dort auf Miss Ruby, die gerade vor dem kleinen Fernseher in der Küche saß und sich eine Gerichtsshow ansah. Nachdem ich sie gebeten hatte, heimzufahren und sich die nächste Woche freizunehmen – ich versprach ihr, das mit Priscilla zu besprechen –, sammelte ich Charlies Utensilien ein. Er hatte nicht in einem der Schlafzimmer in der oberen Etage übernachtet, sondern auf einer Couch im Arbeitszimmer seines Vaters, das näher an Miss Rubys Kammer lag, und sie hatte seine Sachen offenbar schon aufgeräumt. Ich nahm den Wecker vom Wohnzimmertisch, faltete den Schlafsack zusammen, den er von zu Hause mitgebracht hatte, und sammelte in dem kleinen Badezimmer unterhalb der Treppe seine Zahnbürste und Zahnpasta ein. Zuletzt drehte ich eine Runde durch das Obergeschoss, aber die Dusche musste Charlie anderswo benutzt haben, entweder im Country Club oder zu Hause.
Inzwischen war es vier Uhr nachmittags, und ich fuhr zum Country Stadium hinüber. Es dauerte eine Weile, bis ich einen unverschlossenen Hintereingang gefunden hatte, aber irgendwann sah ich einen Techniker das Gebäude durch eine unauffällige Doppeltür aus Metall verlassen. Er ließ mich hinein, und drinnen traf ich auf einen zweiten Mann, einen älteren Herrn, der von seinem Aussehen her vielleicht der Third-Base-Coach sein mochte, und der wiederum verwies mich an einen dritten weiter, einen Mann in kurzärmeligem Hemd und grauer Stoffhose. Nachdem ich jedem dieser drei erklärt hatte, wer ich war, und sie gefragt hatte, wo ich meinen Mann finden konnte, erreichte ich endlich Charlies Büro. Es war kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte, etwa so groß wie das Vorzimmer des
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