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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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will die Liebe deines Lebens sein
. Er hatte bekommen, was er wollte, oder etwa nicht? Selbst jetzt, da wir getrennt lebten, hingen meine Launen von seinen ab und von der steigenden und fallenden Hoffnung, die ich in unsere gemeinsame Zukunft setzte. Als ich, wenn auch nur flüchtig und ungeschickt, Joe Thayer geküsst hatte, war mir etwas klargeworden, das ich jetzt erst ganz begriff: dass ich in meinem ganzen Leben nie einen anderen Mann lieben würde. Der Grund dafür war gar nicht so sehr meine Loyalität Charlie gegenüber, sondern eher eine gewisse Lustlosigkeit, ein Mangel an Interesse daran, noch einmal von vorn anzufangen. Ich liebte meinen Ehemann aus Zuneigungund aus Gewohnheit; ich liebte ihn mit meinem Ehefrauenherzen, und mein anderes Herz, das meiner Träume, gehörte Andrew Imhof. Es gab keine andere Liebe, die ich hätte geben können, keine romantische jedenfalls. Wenn ich mich tatsächlich von Charlie scheiden ließ, würde ich nicht wieder heiraten – ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, und ich ertappte mich dabei, mich zu fragen, ob es mir schwerer fallen würde, allein zu leben, als mit Charlie auszukommen. Vielleicht war es immer noch einfacher, es mit ihm auszuhalten, als es nicht mehr zu müssen, nicht mehr die beladene Ehefrau zu sein, die Getriebene, und nicht mehr das Gefühl zu haben, von meinem schwierigen Ehemann gebraucht zu werden. Wenn ich allein lebte, hätte ich stattdessen finanzielle Schwierigkeiten und die hochkomplexe Aufgabe, den richtigen Umgang mit den Blackwells und mit Charlie zu finden, und die verdeckte Verbitterung, die wir hegten, würde offen zutage treten.
    Ich fragte mich, so unnütz und pubertär diese Frage auch sein mochte, was geschehen wäre, wenn ich an jenem Abend im September 1963 ein wenig früher oder später aus dem Haus gegangen wäre. Wenn Fred Zurbruggs Party abgesagt worden wäre oder ich mich nicht mit Dena gestritten hätte und nicht allein gefahren wäre oder wenn mich unser Streit so aufgewühlt hätte, dass ich mich dagegen entschieden hätte, überhaupt zu der Party zu fahren – wenn der Unfall irgendwie abgewendet worden wäre, wären Andrew und ich dann ein Paar geworden? Und falls ja, wären wir ein Paar geblieben und hätten irgendwann geheiratet? So hatte ich es mir lange selbst weisgemacht, und auch wenn diese Geschichte reine Fiktion war, kam sie mir doch wahr vor. Ihr schien eine Form von Wahrheit eigen zu sein, die man nicht verteidigen musste, weil kein Gegenargument sie je schwächen konnte. Aber jetzt begann ich zu zweifeln. Nach weniger als einem Monat hatte ich Riley gründlich satt. Ich wollte nach Hause, denn mein Zuhause war nicht hier. Wäre ich mit einem bescheideneren Leben zufrieden gewesen, wenn ich Andrew Imhof geheiratet hätte, wäre ich bereit gewesen, mein ganzen Leben in einer Stadt wie dieser zu verbringen? War mein Verlangen nach dem,was die weite Welt zu bieten hatte, erst dadurch geweckt worden, dass ich Riley verlassen hatte? Oder hätte ich mich auch beengt gefühlt, wenn ich von vornherein hiergeblieben wäre, als die Frau eines Farmers?
    »Ich bete jetzt für Andrew Imhof«, sagte Ella.
    Ich machte das Licht aus. »Das ist lieb von dir, Schatz.«
     
    Der protestantische und der katholische Friedhof lagen in Riley direkt nebeneinander, etwa zwei Kilometer südwestlich des Flusses. Am nächsten Morgen fuhr ich zuerst zum katholischen Friedhof, St. Mary’s Cemetery. Ich hatte vorher beim Floristen zwei Sträuße weißer Tulpen gekauft und legte einen davon auf Andrews Grabstein, ein flaches Rechteck aus Granit, das in den Rasen eingelassen war. Es war ein wunderschöner Morgen im späten Juni, zwanzig Grad warm und nur ganz leicht windig. Auf dem Friedhof waren keine anderen Besucher, es war nur ein Mann zu sehen, der in einiger Entfernung den Rasen mähte. Auf der Suche nach Andrews Grabstein war ich an einigen vorbeigekommen, die mit Trockensträußen, Kunstblumen oder Windrädern dekoriert waren, aber die meisten waren, wie seiner auch, völlig schmucklos. Ich stand dort und sah auf seinen Namen und seine Lebensdaten herunter. Bei seinem Begräbnis war ich nicht dabei gewesen, und auch sein Grab hatte ich nie besucht – wäre meine Unterhaltung mit Ella nicht gewesen, hätte ich es auch jetzt nicht getan –, und es war ein verstörender Anblick. Ich würde sagen, dass es mir wie der letzte Beweis für irgendetwas vorkam, nur dass es nichts mehr zu beweisen gab.
    In diesen Augenblicken wünschte

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