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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Karenina
. »Das liest du schon zum zweiten Mal, oder?«, fragte meine Mutter, und meine Großmutter gab leicht bissig zurück: »Zum vierten Mal.«
    Dann waren wir wieder in Wisconsin, einem im Spätsommer außerordentlich schönen Staat. Als ich klein war, war sich jeder um mich herum dieser Schönheit bewusst; als Erwachsener wundere ich mich jedes Mal aufs Neue, wie viele Menschen in meinem Umfeld ein falsches Bild von den Staaten zwischen Pennsylvania und Colorado haben. Manche dieser Leute verbringen geschäftlich Wochen, wenn nicht gar Monate dort, doch sofern sie nicht selbst aus dem Mittleren Westen stammen, verbinden sie mit den Regionen nichts weiter als Wählerstimmen und Vorwahlen, denken sie an Orte oder Städte, in deren Hotels die Tagesdecken außen weinrot und braun glänzen, innen abgesteppt sind, sich das kontinentale Frühstück aus abgepackten Donuts und Müsli aus dem Automaten zusammensetzt und Fitnessstudios aus einzelnen Heimtrainern und defekten Laufbändern bestehen. Diese Menschen essen bei Perkins zu Mittag und beschweren sich anschließend über die Qualität der Restaurants.
    Zugegebenermaßen fehlt es der Gegend an Schick, was ich persönlich immer als beruhigend empfand, doch wer die Schönheit des Mittleren Westens als Ganzes und Wisconsins im Besonderen nicht erkennt, ignoriert die außergewöhnliche Kraft des Landes. Die üppigen Wiesen und Wälder im August, die hügelreiche Landschaft (weit weniger Teile des Mittleren Westens als angenommen bestehen aus Flachland), der Geruch von fruchtbarem Boden, die Abendsonne über einem Weizenfeld oder die bei Einbruch der Dunkelheit zirpenden Grillen in einer Wohnstraße: All das erfüllt mich stets mit Frieden. Ein ursprünglicher Ort mit Raum zum Atmen. Die Jahreszeiten sind extrem, doch sie kommen und gehen, kommen und gehen, und verglichen mit dem Leben in einer Stadt an der Küste scheint die Welt hier um so vieles ruhiger.
    Gewiss findet man in Neuengland, Kalifornien oder dem Pazifischen Nordwesten malerische Orte, doch ich werde dasGefühl nicht los, dass sie
zu
malerisch sind. Besonders an der Ostküste wirken Städte wie Princeton, New Jersey oder Farmington, Connecticut, auf eine sehr vorlaute Art idyllisch, in ungebührlichem Maße blasiert und darüber hinaus xenophob. Geradezu paranoid wird jeder Fremde beäugt, der dem Charme des Ortes auf irgendeine Weise etwas anhaben könnte. Ich schätze, das hängt mit den hohen Immobilienpreisen zusammen, mit der Angst, es könnte zu wenig Platz oder Geld vorhanden sein, und das, was an beidem da ist, muss krampfhaft festgehalten und verteidigt werden. An der Westküste ist es meiner Meinung nach ähnlich – all das Gerede von der Nähe zum Ozean
und
den Bergen –, auf mich wirkt diese Schönheit einfach nur angeberisch. Der Mittlere Westen hingegen hat es nicht nötig, auf seine Besonderheiten aufmerksam zu machen. Er ist auf beruhigende Art schön und von jeher der Ort, an dem ich am besten zur Ruhe komme und am meisten ich selbst bin.
     
    Am Wochenende vor meinem letzten Jahr an der Highschool hupte mich am späten Samstagnachmittag beim Verlassen von Jurec Brothers’ Metzgerei, in der ich für meine Mutter ein Pfund Rinderhack besorgt hatte, ein Wagen an. Ich wandte mich um und sah einen mintgrünen Ford Thunderbird mit weißem Verdeck, aus dessen Beifahrerfenster sich, braun gebrannt und lächelnd, Andrew Imhof lehnte. Ich winkte ihm zu, während ich vom Bordstein trat und zwischen zwei geparkten Autos durchlief. Beim Näherkommen konnte ich Andrews Bruder Pete am Steuer des Zweisitzers sitzen sehen.
    »Willkommen zurück«, sagte Andrew.
    »Woher weißt du denn, dass ich weg war?«
    »Du warst gestern Abend nicht am Pine Lake, und da dachte ich, du wärst vielleicht krank, aber Dena sagte – also nicht, dass Dena und ich – wir haben uns dort ganz zufällig getroffen …«
    »Was er dir damit sagen will, ist«, fuhr Pete dazwischen, »dass er nicht wieder unter ihrer Fuchtel steht.« Pete beugte sich sarkastisch grinsend über das Lenkrad. Er war vier Jahre älter als Andrew; nach der Highschool war er in Madison auf die University of Wisconsin gegangen und hatte vermutlich imJuni seinen Abschluss gemacht. Zwischen ihm und Andrew bestand kaum Ähnlichkeit. Zwar hatten beide die gleichen nussbraunen Augen, doch besaß Pete nicht Andrews unglaubliche Wimpern, und während Andrew schlank und blond war, war Pete massig und hatte dunklere Haare. Er sah aus wie ein erwachsener

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