Die Frau des Praesidenten - Roman
bekannt
habe
?«
»Aber nicht in den letzten drei Jahren, und anscheinend war auch die Länge deiner Redebeiträge etwas unbefriedigend. Ich glaube, die gute Frau weiß, dass sie kurz davor steht, ins Gras zu beißen, und hat noch in letzter Minute eine Vision empfangen, die ihr sagt, dass sie eingreifen muss. Sie behauptet, sie würde nur ihrem Gewissen folgen.«
»Indem sie mich erpresst.«
»Wie schon gesagt: Sie ist einhundertundvier und kann sich ausrechnen, dass sie abtreten wird, bevor irgendjemand sie belangen kann. Das ist ihr völlig sch… also … vollkommen gleichgültig.«
»Bringt sie nicht auch Norene Davis in Gefahr, ins Gefängnis zu müssen?«
»Das Entscheidende ist, dass du abgetrieben hast. Ich verurteile dich nicht dafür, Alice, aber das amerikanische Volk wird genau das tun. Wenn Norene Davis ins Kittchen geht, bleibt sie da vielleicht ein paar Jahre, aber dann stell dir vor, wie die Medien sich auf sie stürzen werden. Denk an die Buchverträge! Sie wird zur neuen Heldin der Frauenbewegung gekürt, und die konservative Basis braucht Jahre, um alles wieder einzurenken.«
»Und was soll ich dagegen tun? Alles abstreiten und Dr. Wycomb als Lügnerin hinstellen?«
»Das musst du ja nicht selbst tun.« Hank wendet sich an Jessica. »Kannst du mir mal weiterhelfen?«
»Wie sehen unsere Alternativen aus?«, fragt Jessica. Sie ist hochgewachsen und schlank und trägt heute zu ihrer schwarzen Hose eine ärmellose gelbe Seidenbluse. Es gibt vieles, was ich an meiner Stabschefin bewundere, aber am meisten beeindruckt mich ihre Kombination aus Unerschütterlichkeit und Herzenswärme. Oft sind ruhige und professionelle Menschen zugleich emotional reserviert, aber bei ihr ist es anders.
»Es gibt da eine Möglichkeit, von der ich nicht gerade begeistertbin«, sagt Hank. »Dem Präsidenten wird sie auch nicht besonders gefallen, aber wir könnten ein Interview arrangieren, in dem du, so indirekt wie möglich, Ingrid Sanchez kritisierst. Es müsste so aussehen, als hättest du nicht mit einer so ernsten Frage gerechnet, und dafür würde ein Gespräch von Frau zu Frau am besten funktionieren: Du zeigst Diane Sawyer gerade, wie schön um diese Jahreszeit der Rosengarten aussieht, sie überrumpelt dich mit der Frage, was du von der Kandidatin für den Supreme Court hältst, und dir rutscht raus, dass du wünschtest, Sanchez würde sich deutlicher für das Recht der Frauen aussprechen, ihre …«
Jessica schüttelt den Kopf. »Und was, wenn das Gladys Wycomb nicht zufriedenstellt? Dann hätten wir doppelt verloren; wir hätten nachgegeben, und sie würde trotzdem an die Öffentlichkeit gehen.«
»Ich werde mit ihr reden.« Ich stehe auf. Die Idee ist mir ganz plötzlich gekommen, aber ich bin mir meiner Sache sicher. »Wenn ich mich sofort auf den Weg mache, kann ich rechtzeitig zur Hausführung mit dem Kinderchor zurück sein. Es wird das Beste sein, wenn ich mich persönlich mit Dr. Wycomb treffe. Sie war …« Ich stocke. »Sie war die beste Freundin meiner Großmutter.«
»Ihre Treue zu deiner Familie ist einfach herzergreifend.« Hank wirft einen Blick auf seine Uhr. »Falls du vor deiner Abreise nichts weiter zu erledigen hast, steht das Flugzeug ab sofort bereit.«
»Du hast schon alles vorbereitet?«
Hank lächelt. Er liebt es, zu wissen, was sein Gegenüber wollen wird, bevor die Person selbst es weiß. »Es leuchtet wohl ein, dass das Ganze ein Basecap-Ausflug werden muss, und wir werden alle wissen lassen, dass du deine Mutter besuchen fährst.«
Basecap
-Ausflug nennen wir die Reisen, die inoffiziell oder zumindest vor dem angekündigten Termin stattfinden und bei denen so wenig Personal wie möglich beteiligt ist. Der Ausdruck wurde von zwei Reisen geprägt, die Charlie in die Krisengebiete in Übersee unternommen hat: Er fuhr mitten in der Nacht los, einmal vom Weißen Haus und einmal vonCamp Davis aus, und legte den Weg zur Andrews Air Force Base in einem einzigen Geländewagen mit getönten Scheiben zurück, ohne Polizeieskorte. Er saß mit einer Baseball Cap auf der Rückbank und wurde nur von seinem Staatssekretär und zwei Agenten des Secret Service begleitet – selbst die kleine Gruppe von Journalisten, die ihn an Bord der
Air Force One
erwartete, erfuhr erst auf halber Strecke, wohin die Reise gehen würde. »Jessica, ich würde sagen, dass du sie als Einzige begleitest – und dann noch alle, die Cal aus Sicherheitsgründen dabeihaben will.« Er wendet sich wieder an mich.
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