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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Wahrheit zu sagen, weil sie so unmittelbar daherkommen, ohne durch den Filter der seriösen Presseorgane gegangen zu sein. Meine Kritiker sind zwar in der Minderheit, aber wie kann ich Lob entgegennehmen, wenn sie so aggressiv, verbittert und selbstsicher sind?
    Dazu kommt noch die große Masse der Fehlinformationen, der verzerrten oder schlichtweg falschen Darstellungen: über Andrew Imhofs Tod (
Ist das nicht ein Glück, dass Alice Blackwell als weiße Tochter reicher Eltern nicht mal ins Gefängnis musste, nachdem sie ihren Geliebten ermordet hatte?
), über meine angeblichen missionarischen Tätigkeiten (viele Zeitungen druckten eine Karikatur ab, in der ich einer Gruppe von muslimischen Kindern aus der Bibel vorlese und sage: »Seht ihr, Kinder, und wenn ihr nur an Jesus Christus glaubt, wird alles wieder gut«), über meine vermeintliche intellektuelle Überlegenheit im Vergleich zu Charlie (in einer anderen Karikatur liegen Charlie und ich abends nebeneinander im Bett, und während ich
Krieg und Frieden
lese, blättert er in einem Kinderbuch). Einmal schickte mir Jadey eine offenbar sehr beliebte Glückwunschkarte zum Geburtstag, auf der ich lächelnd, mit einem marineblauen Anzug und einer Anstecknadel in Adlerform abgebildet bin. (Ich habe diese Anstecknadel nie besonders gemocht, aber nachdem die Ehefrau vonCharlies Verteidigungsminister sie mir geschenkt hatte, fühlte ich mich verpflichtet, sie zumindest ein paarmal zu tragen.) Auf der Vorderseite der Klappkarte stand:
Es gibt Schlimmeres, als wieder ein Jahr älter zu werden …
und auf der Innenseite:
Stell dir nur vor, du wärst mit IHM verheiratet!
Darunter hatte Jadey geschrieben:
Sei bitte nicht beleidigt und zeig es nicht C!
    Einige der Fehlinformationen über uns, über mich, sind eher sachlicher Natur und weniger bedeutsam – wie alt ich bei meiner Heirat mit Charlie war oder wie der Nachname von Mrs. Falke, meiner Nachbarin aus Kindheitstagen, buchstabiert wird –, aber unabhängig von der Sorte und von dem Tonfall, in dem sie verbreitet werden, ist es nur sehr selten der Mühe wert, dass meine Pressesprecherin eine Richtigstellung verlangt. Ich muss mich auch damit arrangieren, dass einige der hartnäckigsten Gerüchte von Charlies nächster Umgebung in die Welt gesetzt worden sind, besonders von Hank: Während unseres ersten Präsidentschaftswahlkampfs war die Annahme weit verbreitet, ich sei die Tochter eines Postboten. (Es gehört zu den großen Ironien meines Lebens, dass gerade meine Herkunft aus der Mittelschicht sich in politischer Hinsicht als mein größtes Kapital erwiesen hat. Den Ruch der Erbprivilegien und der teuren Ivy-League-Universitäten, der Charlie anhängt, vertreibe ich mit meiner bescheidenen und bodenständigen Wisconsin-Biographie.)
    Obwohl meine Sympathiewerte nach wie vor hoch sind, hat sich die Öffentlichkeit im Laufe der Zeit ein Bild von mir gemacht, das damit, wer ich bin, was ich denke und womit ich meine Zeit verbringe, wenig zu tun hat. Hank hat einmal eine Umfrage in Auftrag gegeben, in der sich herausstellte, dass die Mehrzahl der Amerikaner glaubt, ich sei eine strenggläubige Christin, die nie erwerbstätig gewesen ist. Vielleicht sind gerade
deshalb
meine Sympathiewerte so hoch.
    Vermutlich lässt niemanden das verzerrte Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hat, ganz gleichgültig, und auch ich kann nicht sagen, dass es mich nicht stört, aber während Charlies erster Wahlkampagne als Kandidat für den Gouverneursposten habe ich beschlossen, meine Energien nicht auf die Korrekturvon Missdeutungen zu verschwenden. Charlies Pressesprecherin hatte mit einem Reporter des
Sentinel
eine Verabredung zum Tee bei uns zu Hause arrangiert (wie ich es hasste, Journalisten zu Hause zu empfangen, weil ich wusste, dass sie all unsere Familienfotos, unsere Zeitschriften und sämtlichen Nippes bis hin zu den Kühlschrankmagneten genauestens analysierten, obwohl diese Dinge uns einfach im Laufe der Zeit zugefallen waren – erst in der Gouverneursvilla und später im Weißen Haus fiel es mir leichter). Im Laufe dieses Interviews fragte mich der Reporter über Gärtnern, Backen und Kinderbücher aus, also gab ich Tipps für die Pflege von Rittersporn, erklärte ihm mein Rezept für Karamellkekse und listete meine Lieblingsbücher auf, allen voran
Der freundliche Baum.
    Trotz der Familie, in die sie eingeheiratet hat, bekennt sich Alice Blackwell offen dazu, apolitisch zu sein,
begann der Artikel.

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