Die Frau des Praesidenten - Roman
unterrichteten, und Charlie hatte sich Fakten und Statistiken eingebläut, bis er sie fließend referieren konnte.
Hank tippte mir auf die Schulter. »Warum singt ihr beiden gar nicht? ›You can tell your ma I moved to Arkansas / You can tell your dog to bite my leg …‹«
Ich warf ihm ein Lächeln zu. »Ich fürchte, du bist sowieso nicht zu überbieten, Hank.« Als er sich wieder zurückgelehnt hatte, sagte ich leise zu Charlie: »Du wirst bestimmt vielen Herausforderungen begegnen, aber wenn du nicht aus den Augen verlierst, was du erreichen willst, wirst du deine Sache gut machen.«
»Weißt du, was mir heute klargeworden ist?«, sagte Charlie. »Als ich nach dem Mittagessen allen die Hände geschüttelt habe, dachte ich, ich werde keinen einzigen neuen Freund mehr finden. Wenn ich gewählt werde, meine ich … von jetzt an wird jeder nur noch von mir erwarten, dass ich ihm einen Gefallen tue oder ihm Zugang zu irgendwas verschaffe.«
Da konnte ich ihm nicht widersprechen. »Aber du hast das Glück, schon so viele Freunde zu haben«, sagte ich. »Wir haben beide Glück.«
»Das ist es ja gerade.« Er war sehr nachdenklich, besonders im Kontrast zu Hank und Debbie, die auf den Sitzen hinter uns alles gaben. »Nachdem Howard mich wegen der Auftragsvergabeangesprochen hat – ich will ihm das nicht vorwerfen, aber ich muss von jetzt an eben mit so was rechnen. Ich sollte nie davon ausgehen, dass irgendein Treffen reines Freizeitvergnügen ist, wenn selbst Leute, die wir gut kennen – sogar Arthur, John oder Ed –, dabei vielleicht ihre eigenen Ziele verfolgen. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich Ed damals mit meinem Baseballstadion ganz schön in den Ohren gelegen.«
»Du solltest mal mit ihm darüber reden, oder mit deinem Vater. Sie haben bestimmt viel darüber zu erzählen.« Ed war immer noch Kongressabgeordneter, und als im Vorfeld des Wahljahrs ’92 die Frage aufgekommen war, ob er für den Senat kandidieren sollte, hatte er sich dagegen entschieden – ich war mir nicht sicher, warum.
»Weißt du, wer der einzige Mensch ist, der nie versuchen wird, mich auszunutzen?« Charlie zeigte mit dem Finger auf mich.
»Liebling, ich bin bestimmt nicht die Einzige. Für einige unserer Freunde wird es sicher eine große Umstellung, aber du solltest sie auch nicht unterschätzen.«
»Die Leute benehmen sich manchmal schon komisch. Ich hatte das bis heute Morgen ganz vergessen, aber als Dad Gouverneur war, war da dieser alte Freund der Familie, der in Schwierigkeiten geraten war, wegen Veruntreuung, glaube ich, und wollte, dass Dad ihn raushaut. Als Dad das abgelehnt hat, haben dessen Kinder – Leute, die ich aus dem Country Club gut kannte – aufgehört, mit mir zu sprechen. Der Mann musste letztlich nicht mal ins Gefängnis, also weiß ich nicht, worüber seine Familie so verbittert war.«
Hank lehnte sich noch einmal zu uns nach vorn – der Song war fast zu Ende, und es lief die Stelle, an der der Refrain mehrmals hintereinander wiederholt wird – und rief: »Letzte Chance! Du kannst von Glück sagen, dass du dich für die Politik entschieden hast, Chuckles, als fahrender Sänger hättest du es nämlich nicht weit gebracht.« (Chuckles war der Spitzname, den Hank Charlie als kleine Rache für den »Shit Storm« gegeben hatte. Inzwischen heißt Charlie natürlich Mr. President, aber bei Shit Storm ist es geblieben.)
Charlie stimmte gutmütig mit ein: »›Don’t tell my heart, my achy breaky heart …‹«
Ich nahm seine Hand, flocht unsere Finger ineinander und lehnte mich so an ihn, dass mein Mund nahe an seinem Ohr war. »Ich liebe dich so sehr«, flüsterte ich.
Im Wagen telefoniert Jessica jetzt mit Hank. »Sie möchte es lieber nicht«, sagt sie immer wieder in ruhigem Tonfall – sie hat unfehlbare Manieren –, und dazwischen höre ich bruchstückhaft Hanks Stimme, bittend, aber beharrlich. Er möchte mich direkt sprechen. »Nein, war sie nicht«, sagt Jessica. »Sie hatte nicht den Eindruck, dass Gladys Wycomb davon zu beeindrucken war. Nein. Nein. Gut, dann rufe ich aus dem Flugzeug noch mal an.« Sie drückt die rote Taste ihres Mobiltelefons, klappt es zu und greift gleich darauf nach ihrem Blackberry, um mit den Daumen die Tastatur zu bearbeiten.
Wir sind noch drei Kilometer vom Midway Airport entfernt, Jessica und Cal und ich, in diesem Town Car, das einer der Secret-Service-Mitarbeiter von der lokalen Niederlassung chauffiert. »Bevor wir wieder nach Washington fliegen,
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