Die Frau des Praesidenten - Roman
Journalist oder ein Fremder mich fragt, welche Aspekte meines Lebens als First Lady ich mir vorher nie hätte träumen lassen, antworte ich: »Dass ich Reden halten würde!«, und bringe meine Gesprächspartner damit regelmäßig zum Lachen. Wenn Freunde mir dieselbe Frage stellen, sage ich: »Dass ich eine Katze haben würde.« Das haben wir Hank zu verdanken – er hat in den frühen Neunzigern eine Umfrage unter der Wählerschaft in Wisconsin in Auftrag gegeben, bei der herauskam, dass es ihre Meinung von unserer Familie positiv beeinflussen würde, wenn wir ein Haustier hielten, idealerweise einen Hund. Wegen Ellas Tierhaarallergie habe ich dagegen protestiert, und so kam es, dass wir uns Snowflake anschafften, unsere angeblich hypoallergene Katze von der Rasse Russischblau.
Dass unsere Katze eigenbrötlerisch ist, kann mir nur recht sein; ihre offensichtliche Abneigung dagegen, sich auf unserem Schoß oder auch nur in unserer Nähe aufzuhalten, habe ich nie bedauert. Charlie hebt sie manchmal hoch, drückt sein Gesicht in ihre Seite, reibt seine Nase an ihrem Fell und sagt: »Du bist die Einzige, die mich wirklich liebt, was, Snowflake? Ja, das bist du, eine getreue republikanische Katze.« Die Zimmermädchen füttern Snowflake und leeren die Katzentoilette, und ein Tierarzt kommt zu uns nach Hause, um ihre jährlichen Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen. Falls sie sich in den Außenanlagen mit Vögeln und Mäusen vergnügt, weiß ich davon nichts. Die Abneigung gegen Katzen, die sich mir eingegraben hat, als ich fünf Jahre alt war und eine von ihnen mir die Wange blutig kratzte, ist nicht öffentlich bekannt (Charlie hat einmal im Scherz gesagt, bei ungefähr siebzig Millionen Katzenbesitzern landesweit hätte ich allein schon mit dieser Enthüllung seinen Wahlsieg verhindern können), und deshalb kann ich überraschend damit herausrücken, wenn alte Freunde etwas über mein Privatleben wissen wollen. Aber es ist natürlich keine echte Enthüllung, nur ein Scheingeständnis, und diesen Trick habe ich mir von den Pressesprechern des Weißen Hauses abgeschaut: Sie streuen regelmäßig Informationen über uns aus, die wahr, aber absurd trivial sind und ihren Empfängern persönliche Nähe vorgaukeln – sie machen uns menschlicher, sagen sie.
Charlie Blackwell liebt den Film
Anchorman.
Alice Blackwell hat ihrem Mann zu Weihnachten eine Digitalkamera und ein Fahrradtrikot geschenkt. Ella Blackwell isst am liebsten Fajitas.
Die ehrliche Antwort auf die Frage, was ich mir nie hätte träumen lassen, ist: dass ich mich liften lassen würde. Und obwohl darüber in den Medien schon viel spekuliert worden ist, wird es weder von mir noch von irgendeinem der Angestellten jemals bestätigt werden, allein schon deshalb, weil es die wenigsten mit Sicherheit wissen. Charlie hatte schon 1997, vor seiner Wiederwahl als Gouverneur, beschlossen, im Jahr 2000 für das Präsidentenamt zu kandidieren. Bei einer Superbowl-Siegesfeier, die wir 1998 für Freunde und Angestellte in derGouverneursvilla ausrichteten, unterhielt ich mich mit Debbie Bell, mit Hanks Ehefrau Brenda und mit Kathleen Hicken. Debbie, die zu dem Zeitpunkt die Leiterin von Charlies PR-Abteilung war, sagte: »Mal unter uns Mädels: Hat eine von euch schon mal über Schönheitschirurgie nachgedacht? Ich war neulich bei Ann Taylor, und die Spiegel in den Umkleidekabinen sind wirklich erbarmungslos.«
»Debbie, du bist doch noch jung!«, sagte ich. Sie war gut zehn Jahre jünger als Charlie und ich und damals also etwas über vierzig.
»Na ja, aber weißt du, ich höre immer wieder, wie unkompliziert solche Eingriffe heutzutage sind«, sagte Debbie. »Ich rede ja nicht von Implantaten oder einer Nasenkorrektur oder so, sondern dass man einfach …« Sie legte beide Hände seitlich auf ihr Gesicht und zog die Haut nach hinten. »… ein paar Fältchen loswird«, sagte sie. Dann wandte sie sich an mich. »Würdest du es tun?« (Ich hätte es wissen müssen. Oh, ich war so leichtgläubig, aber ich habe es wirklich nicht begriffen.)
»Dauert es nicht Monate, bis nach so einem Facelifting alles wieder verheilt ist?«, fragte Kathleen.
Debbie schüttelte den Kopf. »Das war vielleicht früher so, aber inzwischen hat die Medizin gigantische Fortschritte gemacht. Wenn ich mir einen Beratungstermin geben lasse, würdest du mich dann zur moralischen Unterstützung begleiten, Alice?« Diese Bitte kam mir merkwürdig vor, weil Debbie und ich einander nicht nahestanden.
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