Die Frau des Praesidenten - Roman
stark geschwollen –, und sechs Tage nach dem Eingriff ließen wir uns in der Klinik die Fäden am Haaransatz ziehen (vor der Operation hatte eine Schwester meine Frisur gelobt, von der sie meinte, dass sie die möglichen minimalen Narben perfekt verbergen würde). Jadey und ich beschlossen, es nie irgendjemandem zu erzählen – unsere Ehemänner und Cheryl wussten es, aber unsere anderen Schwägerinnen, Priscilla oder die Kinder sollten es nicht erfahren. Der Gedanke an Ella beunruhigte mich besonders: Was für ein schlechtes Vorbild ich für sie wäre, wenn sie es je erfuhr, wie eitel und wie wenig in der Lage, in Würde zu altern! Glücklicherweise war sie in Princeton, und wir hatten in Madison und Milwaukee allen erzählt, dass wir einen Malkurs machen wollten, einen Intensivkurs in Aquarellmalerei. (»Was machen wir, wenn jemand unsere Bilder sehen möchte?«, fragte ich, und Jadey sagte: »Wir sagen, dass sie noch mit der Post unterwegs sind.« Allerdings fragte nie jemand danach.)
Besonders in den ersten Tagen nach dem Eingriff sahen Jadey und ich so schlimm zugerichtet aus, dass wir uns immer wieder laut fragten, ob wir einen Fehler begangen hatten, und mir kam es vor (das sagte ich allerdings nicht laut), als seien wir Gestalten aus einem Märchen, narzisstische alte Vetteln, die versuchten, sich an ihre verlorene Jugend zu klammern. Am Ende wurden wir aber doch nicht für unsere Hybris bestraft: Schon eine Woche nach der Operation waren die Blutergüsse verblasst, nach und nach klangen die Schwellungen ab, und an dem Abend vor unser Rückkehr nach Wisconsin gingen wir mit Cheryl in einem wunderbaren mexikanischen Restaurant essen. Wir durften noch keinen Alkohol trinken, aber Jadey nippte ein paarmal an Cheryls Margarita. Nach unserer Heimkehr telefonierten wir immer wieder, um einander zu berichten, wie viele Komplimente wir bekommen hatten, wie ausgesprochen gut uns nach der Meinung unserer Freunde die Erholung in der frischen Seeluft getan hatte. Von all den unangenehmen Aspekten der plastischen Chirurgie ist dieser eine vielleicht am schwersten zu akzeptieren: Wenn sie kompetent ausgeführt wird, funktioniert sie einfach. Wer selbst soeinen Eingriff hinter sich hat, bemerkt erst, wie viele andere es genauso gemacht haben, und es gibt zwar viele Beispiele, wo ein ungeschickter Chirurg deutliche Spuren hinterlassen hat, aber gerade unter Politikern und Prominenten gibt es noch viel mehr Männer und Frauen, bei denen man nichts davon ahnt, selbst wenn man gerade ihre verblüffend jugendliche Frische bewundert.
Aus dem Buch, das ich zu dem Thema gelesen hatte, erfuhr ich, dass der positive Effekt einer Rythidectomie, wie die Operation auch genannt wird, nach fünf bis zehn Jahren abgeklungen ist und danach ein erneuter Eingriff empfohlen wird. Das heißt, dass mein Facelifting inzwischen selbst nach den optimistischsten Schätzungen nicht mehr nachwirkt. Ich habe nicht vor, mich ein zweites Mal operieren zu lassen, aber nicht, weil ich weniger eitel geworden wäre, sondern weil Jadey und ich es jetzt vorziehen, uns mit Botox behandeln zu lassen, eine Option, die wir in den späten neunziger Jahren noch nicht hatten. Alle drei Monate fliegt sie zu uns nach Washington, und Charlies Leibarzt, Dr. Subramanium, behandelt uns in seinem Sprechzimmer im Weißen Haus. Die ganze Prozedur dauert nur zehn Minuten und erfordert nicht einmal eine Betäubung. Ich würde gern glauben, dass ich mich deshalb so gewissenhaft an dieses Ritual halte, weil es Jadey und mich verbindet und uns ein Gefühl der Nähe erhält, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Ich tue es auch, weil ich nicht möchte, dass sich Blogger und Talkshowmoderatoren über mein Aussehen lustig machen. Dass ich mir regelmäßig ein giftiges Bakterium in die Gesichtshaut spritzen lasse, finde ich befremdlich, aber letztlich nicht befremdlicher als den Umstand, dass ich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verheiratet bin, dass ich im Weißen Haus lebe oder den lächerlichen Titel First Lady trage. Soweit ich weiß, hat Debbie Bell sich nie irgendwelchen Schönheitsoperationen unterzogen.
Im Jahr 1998 dauerte es nach meiner Rückkehr aus Naples noch ein paar weitere Wochen, bis Ella während ihrer Frühjahrsferien nach Hause kam. Ich fuhr zum Flughafen, um sie abzuholen; zwar hatte ich als First Lady von Wisconsin schonLeibwächter, aber ich setzte mich noch gelegentlich selbst hinters Steuer. Ella hatte insgesamt zwei Wochen frei und die
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