Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
Vom Netzwerk:
Wertkonservativen oder wie auch immer man sie nennen möchte, halten Charlie für eine messianische Figur. In meinen Augen ist diese Annahme dermaßen indiskutabel, dass ich es nicht einmal über mich bringe, ernsthaft darüber nachzudenken. Dass Charlie mit der Unterstützung seiner Berater, allen voran Hank, diesen absurden Glauben noch gefördert hat, zeugt entweder von einem solchen Ausmaß an Zynismus oder von so bodenloser Hybris, dass ich nicht mal sagen könnte, welche Möglichkeit schlimmer wäre. Ich vermute, Charlie glaubt aufrichtig daran, so etwas wie ein Messias zu sein (denn wie sonst ließe sich sein Aufstieg vom perspektivlosen Alkoholiker zum Präsidenten überhaupt erklären?), und dass Hank daran nicht glaubt, wobei ich seinen aufrichtigen Glauben an Charlie selbst nicht anzweifeln würde. Ich könnte behaupten, dass ich diesen unverbrüchlichen Glauben an ihn nicht verstehe, weil Hank zweifellos der intellektuell Überlegene und der Ehrgeizigere von den beiden ist, aber ich begreife es sehr wohl:Hank hat früh erkannt, dass Charlie sein charismatischer Stellvertreter sein könnte. Und habe nicht ich selbst auch mein Leben an Charlies gekoppelt, mich von ihm leiten lassen und mich über ihn definiert? Warum sollte ich also denselben Impuls bei anderen nicht nachvollziehen können?
    Charlie scheint bester Laune zu sein, als er sagt: »Wenn die Schlammschlacht erst mal anfängt, dann denk immer dran, dass ich nie wieder für irgendwas kandidieren werde. Meinetwegen musst du also kein schlechtes Gewissen haben.«
    Ich schaue aus dem Fenster. Von meinem Sitz aus kann ich den blauen Himmel sehen. Dieser Privatjet, den ich viel lieber mag als die Boeing 757 für größere Reisegruppen, bietet sechzehn Passagieren Platz, und alle Sitze sind mit weißem Leder bezogen und stehen auf einem cremefarbenen Teppich – die Ausstattung kommt mir immer ein bisschen so vor, wie sich ein kitschig veranlagter Mensch den Himmel vorstellen muss. »Danke, dass du das sagst, Schatz«, sage ich, »aber wenn du meinen Schwangerschaftsabbruch als Sünde betrachtest, beinhaltet das dann nicht, dass du dir wünschen würdest, ich hätte sie nicht begangen? Und dann hätten wir nie geheiratet, oder? Wenn ich ein dreizehnjähriges Kind gehabt hätte, als wir uns kennenlernten?« Er schweigt, und ich fahre fort: »Es ist eben nicht so einfach. Das ist alles, was ich damit sagen will. Und ich hoffe, die Aufregung darüber wird sich bald wieder legen, aber vermutlich wird Ingrid Sanchez’ Kandidatur dafür sorgen, dass das Thema noch lange aktuell bleibt.«
    »Du meinst doch nicht etwa, dass ich sie absägen soll?«
    »Nein, aber du solltest nicht unterschätzen, wie sehr sich die Presse auf die Ironie dieser Konstellation stürzen wird.«
    »Was mir wirklich auf den Sack geht«, sagt Charlie, »ist, dass diese alte Hexe beschließt, dich auffliegen zu lassen, und alle sich auf den Boden werfen und tot spielen. Das ist doch eindeutig Erpressung!«
    »Sie ist hundertvier Jahre alt, Charlie.«
    »Du bist ja nicht die Erste, die mir das sagt. Wahrscheinlich ist es nur noch ihr guter alter demokratischer Furor, der sie am Laufen hält.« Charlie kichert. »Hey, wenn das ihr Geheimnisist, hast du vielleicht auch noch Chancen, mich zu überleben.«
    Einige Augenblicke lang schweigen wir beide; von draußen höre ich das Brummen der Motoren. Jessica sitzt ein Stück entfernt in einem der anderen weißen Ledersitze und isst das Sandwich, das eine der beiden Flugbegleiterinnen ihr zurechtgemacht hat, Cal und José unterhalten sich weiter hinten in der Kabine, und Walter liest einen Thriller. Ich bemühe mich, leise zu sprechen, während ich sage: »Dr. Wycombs Methoden lehne ich auch ab, aber du hast doch nicht vergessen, wie ich zu dem Recht auf Abtreibung stehe, oder?«
    »Siehst du, das ist ja das Großartige an Amerika – hier darf jeder frei seine Meinung äußern.« Ich spüre, wie Charlie grinst, und dann höre ich ein unverwechselbares, prustendes Geräusch und begreife, dass er gerade gefurzt hat. Obwohl ich ihm mehrmals gesagt habe, wie rücksichtslos das ist, glaube ich, dass er es in der Gegenwart seiner Leibwächter so oft wie möglich tut. Er sagt dann immer: »Sie finden es wahnsinnig komisch, wenn der Herrscher der freien Welt in sein Horn stößt!«
    »Das habe ich gehört«, sage ich.
    »Ich weiß gar nicht, wovon du redest.« Bevor wir beide auflegen, fügt er noch hinzu: »Grüß die Geschiedene von mir.«

Wenn ein

Weitere Kostenlose Bücher