Die Frau des Praesidenten - Roman
erste davon mit Freunden auf den Turks- und Caicosinseln verbracht, im Ferienhaus einer Mitstudentin namens Alessandra Caterina Laroche de Fournier (die meist Alex genannt wurde). Ella sagte, sie hätte sich gegen Ende des Urlaubs zu langweilen begonnen und das Gefühl gehabt, sich zu sehr gehenzulassen, und diese Woche wollte sie in der Armenküche vorbeischauen, in der sie während der Highschool ehrenamtlich gearbeitet hatte. Ich hatte in Erwartung ihres Besuchs meine sämtlichen Termine abgesagt oder verschoben und sagte, wenn sie ins Kino gehen oder Kleidung kaufen wolle, zum Beispiel für ihr Praktikum bei Microsoft im Sommer, sei ich zeitlich flexibel. »Ja, mal sehen«, antwortete sie.
Wir waren bei der Gouverneursvilla angekommen, und ich stellte gerade den Motor ab, als sie sagte: »Übrigens, Mom …«
Ich drehte mich zu ihr um.
»Schönes Facelifting«, sagte sie.
Sie wohnen im Erdgeschoss eines Hauses in der Adelphia Street. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich die Treppen zur Veranda hochgehe und an die Tür klopfe, auch wenn dieses Anklopfen eher symbolisch ist, nachdem die Agenten des Secret Service schon vor mir hier waren und sowohl ihre Wohnung als auch die darüber, die durch eine separate Tür zugänglich ist, durchsucht haben. Kühle, von Zigarettenrauch durchsetzte Luft schlägt mir entgegen, als Dena hinter der Fliegengittertür auftaucht. Sie ist hager, mit sehnigem Hals und schmalen Lippen, ihr Gesicht ist faltig, und ihr ehemals helles Haar sieht graublond und trocken aus; es ist noch immer gewellt, reicht aber nur knapp bis zum Kinn. Sie ist alt, Dena ist
alt
, aber sie ist auch unverkennbar sie selbst, und ich fange an zu weinen. Dena öffnet die Fliegengittertür, betrachtet mich etwas amüsiert und sagt: »Na, na, jetzt übertreib es aber nicht.« Als wir uns umarmen, klammere ich mich fest an sie.
Wir gehen ins Wohnzimmer, in dem ein schwarzes Ledersofa, ein dazu passender Sessel und ein Wohnzimmertisch voreiner dreiteiligen Schrankwand angeordnet sind, einer Art Triptychon der Unterhaltungsmedien. In der Mitte steht ein riesiger Fernseher, der auf der einen Seite von einer Stereoanlage, Lautsprechern und einigen CDs und DVDs flankiert wird und auf der anderen von einer Wandtellersammlung. Die Teller sind in mehreren Reihen übereinander aufgestellt und entweder mit Pferdemotiven bemalt oder mit Indianern. Hat Denas Geschmack sich verändert oder meiner, oder sind es die Zeiten, die sich geändert haben? Vielleicht ist es von allem etwas. Das Zimmer hat getäfelte Wände und einen hellvioletten Teppichboden, und eine Tür geht in einen schmalen, dunklen Flur hinaus, der weiter hinten in einen sonnigen Raum mit schwarzweiß kariertem Bodenbelag führt – wahrscheinlich die Küche. Der Fernseher ist an, es läuft gerade eine Talkshow.
»Hast du Durst?«, fragt Dena. »Ich würde dir ja einen richtigen Drink anbieten, aber wir haben vor Jahren damit aufgehört, also ist das Aufregendste, was ich zu bieten habe, eine Diet Coke.«
»Das wäre wunderbar.« Als Dena im Flur verschwindet, sehe ich mich nach Taschentüchern um, finde welche auf einem Beistelltischchen und putze mir die Nase. Auf dem Wohnzimmertisch steht eine Schüssel mit Rosenduft-Potpourri neben einer Ausgabe der
People
und einer Schachtel Merit-Zigaretten. Aus der Küche höre ich das Geräusch eines Wasserhahns, und dann spricht Dena auf dem Rückweg mit jemandem in einem der Zimmer, die vom Flur abgehen, aber weil der Fernseher läuft, kann ich nicht verstehen, was sie sagt. Das muss Pete sein; von meinen Agenten weiß ich schon, dass ich mich gerade in derselben Wohnung aufhalte wie Pete Imhof. Einen von ihnen, José, kann ich durch das Fenster erkennen. Er steht mit verschränken Armen auf der Veranda und beobachtet die Straße.
Dena kommt mit zwei Gläsern zurück, einem mit dunkler, kohlensäurehaltiger Flüssigkeit und einem mit Wasser. Sie gibt mir die Diet Coke, schaltet den Fernseher ab, setzt sich in den Sessel und bedeutet mir, auf dem Sofa Platz zu nehmen. »Ich muss zugeben, als das Mädchen aus deinem Büro anrief undsagte, du wärst auf dem Weg hierher, habe ich gedacht, jemand will uns veralbern.« Ihre Stimme klingt weder unterkühlt noch einschmeichelnd, sondern ganz normal – ich bin zum zweiten Mal an diesem Tag nicht Alice Blackwell, sondern Alice Lindgren. Oder ich bin beides, denn Dena fährt fort: »Also, wie ist es denn so, mit dem Präsidenten verheiratet zu sein?«
Ich
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