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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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hoffe, dass es unbeschwert klingt, als ich antworte: »Das kommt immer auf die Tagesform an.«
    Dena schlägt die Beine übereinander. Sie trägt Jeans und ein ärmelloses schwarzes Hemd mit V-Ausschnitt, der einen so vorteilhaften Blick auf ihr Dekolleté freigibt, dass ich nicht umhinkann, mich zu fragen, ob sie einen Pushup-BH trägt oder sich hat operieren lassen. Dazu trägt sie lange silberne Ohrgehänge, eine silberne Halskette und zwei silberne Ringe, die beide nicht am Ringfinger ihrer linken Hand stecken: Den einen, in den ein Mondstein eingelassen ist, trägt sie am linken Mittelfinger und den anderen, einen Reif mit kleinen eingestanzten Peace-Zeichen, am rechten Daumen. Diese Peace-Zeichen passen besonders gut zu dem, was sie als Nächstes sagt, aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein: »Ich wusste gar nicht, dass du Republikanerin warst.«
    »Das war ich auch nicht.«
    »Ach?« Sie lächelt. »Wie konnte das bloß gutgehen?«
    Wir schweigen beide, und dann sage ich: »Ich habe in all den Jahren oft an dich gedacht, Dena. Ich wünschte …«
Ich wünschte, unsere Freundschaft wäre nicht zerbrochen, und ich wünschte, es wäre nicht dreißig Jahre her, dass wir uns zuletzt begegnet sind.
    Aber sie unterbricht mich: »Ich weiß. Ich auch.« Sie lacht leise. »Ich würde ja auch sagen, dass ich an dich gedacht habe, aber es kam mir eigentlich mehr so vor, als wäre ich dir ständig
begegnet
. Dieser Kaschmirmantel, den du bei Charlies Vereidigung anhattest, bei der zweiten, meine ich, der war wirklich prachtvoll. Ich habe gedacht, die Alice, die ich kannte, war immer so geizig, was Klamotten anging, aber der muss ja ein Vermögen gekostet haben. Ich habe mich gefreut, dass du das inzwischen entspannter siehst.«
Charlies Vereidigung
– so nenntman ihn in der Öffentlichkeit: Charlie oder, meist mit sarkastischem Unterton, Chuck oder Chuckie B. In Washington bin ich die Einzige, die sich eine so informelle Anrede erlauben darf. »Das Kostüm ist auch schön. Von wem ist das?« Dena weist mit einem Kopfnicken auf das inzwischen ziemlich zerknitterte rote Leinenjackett und den Rock, die ich heute Morgen für das Brustkrebsforum angezogen habe – das scheint eine Ewigkeit her zu sein. Wenn ich in den Wohnräumen des Weißen Hauses bin, trage ich Freizeitkleidung, in etwa so wie Dena, nur dass meine Hemden etwas dezenter ausfallen.
    »Von de la Renta«, sage ich.
    Sie nickt anerkennend. »Ich hätte auf ihn oder auf Carolina Herrera getippt.« Sie zeigt auf den Leibwächter draußen vor dem Fenster. »Hören die mit, wenn du auf Klo gehst?«
    »Nein, ins Badezimmer kommen sie nicht mit«, sage ich lachend. »Sie warten draußen. Es gibt auch weibliche Leibwächter – heute ist keine dabei, aber es gibt sie –, damit eine Frau einspringen kann, wenn es mal unpassend wäre, einen Mann dabeizuhaben.«
    Dena schüttelt den Kopf. »Das wär ja nichts für mich.«
    »Ist schon ein merkwürdiges Leben. – Dena, Pete ist auch hier, oder?«
    »Und ich habe gedacht, ich bin die Hauptattraktion.«
    »Doch, das bist du ja, aber wenn es geht, würde ich gern einmal mit euch beiden gemeinsam reden.«
    Sie dreht ihren Kopf in Richtung Flur und ruft: »Babe, sie möchte dich auch gern sehen!« Dann wendet sie sich wieder an mich: »Er glaubt, dass du ihn nicht magst. Ich hab ihm schon gesagt, dass du kaum persönlich herkommen würdest, nur um uns auszuschimpfen, dass du als First Lady Wichtigeres zu tun hast, aber du kennst ja Pete.«
    Das stimmt natürlich nicht ganz – ich kenne Pete Imhof längst nicht mehr, wenn ich ihn überhaupt je gekannt habe.
    Sie ruft noch einmal, diesmal lauter und ungeduldiger: »Babe!«
    Eine Minute später steht er im Wohnzimmer: Auch er trägt Jeans und dazu ein graues Badgers-T-Shirt und Flip-Flops mitbraunen Lederriemen. (Die dunklen Haare auf seinen Zehen! Plötzlich durchzuckt mich die Erinnerung an unsere erste Begegnung, als ich siebzehn war. Wie merkwürdig es ist, dass ich damals, wenn auch nur für kurze Zeit, mit Pete Imhofs Körper sehr vertraut war.) Als ich ihn zuletzt gesehen habe, nach der unseligen Geschichte mit dem Schneeballsystem, hatte er ziemlich viel Gewicht zugelegt, und seitdem war es sicher noch mal so viel. Er ist nicht schockierend fett, aber doch mehr als nur übergewichtig, und sein Haar und sein Bart sind silbergrau. Auf seine schlichte, natürlich männliche Art ist er durchaus gutaussehend. Ich stehe auf, und wir schütteln uns etwas unbeholfen die

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