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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Ich glaube, die Quintessenz ihres Buches ist, dass es bei mir in der Familie lag, über meinem Stand zu heiraten, weil meine Mutter, nachdem sie meinen Vater kennengelernt hatte,ihre Sachen packte und ihren Geschwistern und Eltern den Rücken kehrte. Als das Buch vor zwei Jahren herauskam, hatte ich Patty seit unserer Kindheit nicht gesehen, und ich muss zugeben, dass ich es nicht gelesen habe – es gibt zu viele solche Zeugnisse, und sie sind zu deprimierend, als dass ich sie alle lesen könnte. In letzter Zeit sind zu dieser Sammlung noch Enthüllungsgeschichten von Leuten hinzugekommen, die für Charlie und mich gearbeitet haben, von Wahlkampfberatern und dem stellvertretenden Pressesprecher im Weißen Haus während Charlies erster Amtszeit. Es ist immer eine Enttäuschung, wenn jemand, dem man vertraut hat, dieses Vertrauen missbraucht, aber solche Übertretungen gehören in der Politik seit jeher dazu und waren in Charlies Regierungszeit seltener als unter seinem Vorgänger.
    Charlie ist dagegen vollkommen unempfindlich; er hat sich nie für das interessiert, was seine Kritiker ihm vorwarfen, es sei denn, Hank konnte strategisch Gewinn daraus ziehen. Ganz so abgebrüht bin ich offensichtlich nicht, aber ich versuche fast nie, irgendetwas zu widerlegen, und Zitate oder Bemerkungen in der Presse, über die ich mich früher tagelang aufgeregt hätte, vergesse ich jetzt nach ein paar Minuten wieder. Es ist über ein Jahr her, dass ich zuletzt wirklich aufgewühlt war, als ich eines Morgens im Mai die
Times
aufschlug und darin einen Meinungsartikel von Thea Dengler fand, der Besitzerin des Buchladens in Mequon, den ich damals so liebte. Theas Buchhandlung gibt es immer noch, und das in einer Zeit, da immer weniger unabhängige Geschäfte sich selbst tragen können, und Thea selbst hat es inzwischen in interessierten Kreisen zu einiger Prominenz gebracht; sie wird regelmäßig in Artikeln über den Buchhandel zitiert. Aber das war nicht das Thema ihres
Times
-Artikels, sondern sie schrieb über mich, und die Überschrift lautete: Handeln Sie, Alice Blackwell! Der Artikel begann:
Alle, die Alice Blackwell wie ich noch aus Wisconsin kennen, werden sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als einmal am Kopf gekratzt haben. Ich habe sie in den achtziger und den frühen neunziger Jahren, als sie regelmäßig in meine Buchhandlung kam, immer als neugierige, mitfühlende
und aufgeschlossene Person erlebt. Wie kann sie dann mit einem Mann verheiratet sein – glücklich verheiratet, wie es scheint –, der alles daran setzt, die Bürgerrechte einzuschränken? Es gibt Menschen, die Mrs. Blackwell nur als teuren Tischschmuck bei Veranstaltungen wahrnehmen, aber in Wirklichkeit ist sie eine ehemalige Bibliothekarin, die genau weiß, wie unverzichtbar Privatsphäre und Meinungsfreiheit für eine Demokratie sind.
    Als ich im Bett saß und diesen Artikel las, stieg in mir eine Wut auf, wie ich sie nur selten erlebe. Mich störte weniger der Gedanke, dem Thea Ausdruck verlieh; den hatte ich schon oft genug gehört, aber dass ausgerechnet sie es tat – Thea war, anders als Carolyn Thayer, meine Cousine Patty oder selbst Simon Törnkvist, ein Mensch, dem ich mich früher geistig sehr verbunden gefühlt hatte. Warum konnte sie dann nicht im Zweifel für die Angeklagte entscheiden, warum konnte sie nicht davon ausgehen, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten mein Bestes tat? Wer war Thea überhaupt, dass sie darüber befinden wollte, was ich wem, wie und wann zu sagen hätte? Ich erinnerte mich selbst an das, was ich Jahre zuvor auf meinem einsamen Spaziergang auf dem Maronee Drive beschlossen hatte, nachdem im
Milwaukee Sentinel
dieser lächerliche Artikel über meine Karamellkekse erschienen war – dass niemand von außerhalb darüber entscheiden konnte, wer ich war, und dass etwas, das in der Zeitung stand, davon noch lange nicht wahr wurde. Aber trotzdem: Dies hier war Thea, und sie schrieb in der
Times
.
    Sie glauben, dass sie mich überzeugen können, aber sie erreichen das Gegenteil: Je mehr Leute Druck ausüben, desto mehr werden sie Teil eines erkennbaren Schemas. Außerdem hat jeder, der seinen Einfluss geltend machen möchte, sein persönliches Lieblingsthema – Thea ging es besonders um den Patriot Act – und verfolgt selbst bei diesen nationalen Anliegen eine Art altruistisches Eigeninteresse:
Genau das
ist es, was ich falsch gemacht habe, und
genau hier
habe ich versagt. Die Kritik, die ich einstecken muss, mag

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