Die Frau des Praesidenten - Roman
Gesetze zwängen.«
»Du meinst also nicht, dass ich es bekommen sollte?«
Mit ruhiger Stimme sagte sie: »Ich denke, es würde dich umbringen. Unter anderen Umständen würde ich sagen: ›Geh in ein Mädchenheim nach Minnesota, geh nach Kalifornien.‹ Aber du bist nicht stark genug. Du wirst wieder stark werden, nur momentan bist du es nicht.«
Während sie sprach, konnte ich spüren, wie sich meine Lippen kräuselten, wie sich meine Augen mit Tränen füllten, und ich flüsterte: »Es tut mir leid, dass ich dich enttäusche.«
»Komm, setz dich zu mir«, sagte sie, und als ich neben ihr saß, strich sie mir mit der Hand über den Rücken. »Wir alle müssen Fehler machen. Nur so lernen wir, Mitgefühl mit anderen Menschen zu haben.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Du brauchst mir nicht zu sagen, wer der Vater ist. Es spielt keine Rolle.«
Diesmal nahmen wir den Bus. Wie meine Großmutter mich angewiesen hatte, war ich zunächst ganz normal zur Schule gegangen, wurde jedoch vor dem Ende der ersten Stunde in dasBüro des Direktors gerufen, wo sie mich erwartete. Wir eilten zum Busbahnhof, stiegen in den Bus nach Chicago – »Sicherlich gibt es auch in Riley jemanden, der es machen könnte«, sagte meine Großmutter, »aber ich müsste mich umhören, und ich will nicht, dass die Leute anfangen zu reden« –, und vom Busbahnhof in der Broad Street nahmen wir ein Taxi ins Krankenhaus. Gemäß ihrer Anordnung hatte ich seit dem Vorabend weder etwas gegessen noch getrunken, und im Taxi drehte sich mir mein mit nichts als Angst gefüllter Magen um. »Ich habe dich unter dem Namen Alice Warren angemeldet«, sagte meine Großmutter, »vorsichtshalber.« Warren war ihr Mädchenname.
»Man wird mich doch nicht verhaften, oder?«
»Niemand wird dich verhaften«, antwortete sie.
»Und der Arzt wird auch sauberes Besteck verwenden?«
Sie sah mich verwundert an. »Ich dachte, du hättest verstanden, dass Gladys den Eingriff durchführen wird. Darum sind wir hierhergekommen.«
Meine Großmutter durfte nicht mit in den Operationssaal. Ich trug ein blaues Krankenhaushemd, und als ich auf dem Tisch lag, wies mich die Schwester an, meine Unterschenkel in zwei Metallschienen zu legen. »Die Ärztin möchte noch mit Ihnen sprechen, bevor wir die Narkose einleiten«, sagte die Schwester, und es vergingen zehn bis zwölf Minuten, bis Dr. Wycomb in ihrem weißen Kittel erschien. Erst als sie mir die Hand drückte und ich die Wärme ihrer Haut spürte, merkte ich, wie kalt mir war.
»Ich weiß, wie schwer das für dich ist, Alice«, sagte sie. »Doch ehe du dich versiehst, wird es vorbei sein, und du wirst dich schnell erholen. Der Eingriff verläuft folgendermaßen: Zunächst werde ich den Uteruseingang etwas weiten und dann mit einem sehr dünnen Instrument die Kürettage durchführen. Eventuell wirst du ein paar Tage Krämpfe und Schmierblutungen haben – dafür gibt es Binden –, aber du wirst das Krankenhaus gehend verlassen können.«
Ich nickte und fühlte mich einer Ohnmacht nahe. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht einmal, was
Kürettage
bedeutete.Zurück in Riley schlug ich es in einem Wörterbuch nach:
Ausschabung
.
»Sollte es in den nächsten Tagen oder Wochen zu irgendwelchen Komplikationen kommen, musst du mich unbedingt anrufen«, sagte Dr. Wycomb. »Deine Großmutter hat meine Nummer.« Sie war nicht kühl – sie hielt noch immer meine Hand –, doch sie drückte sich knapp und professionell aus und vermittelte mir so, dass sie eine sehr gute Ärztin war.
»Eins noch: Ich werde diese Utensilien hier Emilie geben und möchte, dass du sie von ihr bekommst, wenn ihr zu Hause seid. Du brauchst nicht mit ihr darüber sprechen.« Dr. Wycomb griff in eine kleine, braune Papiertüte, die ich bislang nicht bemerkt hatte, und holte einen mir unbekannten Gegenstand daraus hervor. Sie reichte mir eine weiße Gummikappe zusammen mit einer ebenfalls weißen Tube mit Schraubverschluss. »Fülle das Diaphragma mit der Spermizidcreme, bevor du es benutzt«, erklärte sie. »Dann führe das Diaphragma tief in die Scheide ein, bis es den Muttermund verschließt. Übe den Vorgang ein paarmal, bevor du in eine Situation kommst, in der du es brauchst, und denk daran, dass Spermizidcreme allein nicht ausreicht – sollten deine Freunde etwas anderes behaupten, haben sie unrecht.«
Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre es undenkbar, unerträglich gewesen, die Worte
Spermizid
und
Scheide
aus dem Mund der
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