Die Frau des Praesidenten - Roman
würden und dass nur ein kleiner Teil davon in meinen Händen lag. Allein zu bleiben erschien mir kein grausames Schicksal, zumindest war es nicht schlimmer, als an den Falschen gebunden zu sein.
Dann traf ich Simon, der eine bislang nicht in Betracht gezogene Variante darstellte. Er bedeutete weder Einsamkeit noch gespielte Glückseligkeit, sondern etwas Drittes: Wiedergutmachung. Ich hielt das für das Nächstbeste nach vollkommener, gegenseitiger Akzeptanz und bin teilweise auch heute noch dieser Meinung. Doch alle anderen Vorstellungen, die ich mir von Simon und von meiner Fähigkeit machte, ihn zu mögen, kommen mir heute eitel vor und waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Während der elf Monate, die wir zusammen waren, lebten wir zweieinhalb Kilometer voneinander entfernt und sahen uns zweimal pro Woche. Ich war mit der Schule beschäftigt, er ging zur Uni oder arbeitete im Installationsbetrieb; dennoch hätte ich es sehen sollen: Es war nämlich nicht so, dass ich mich bewusst dagegen entschied, meinen Terminplan für ihn umzuwerfen, es kam mir nur einfach nie in den Sinn. Er hattezwei jüngere Geschwister, eine Schwester, die verheiratet war, und einen geistig zurückgebliebenen Bruder, der bei den Eltern auf der Farm lebte, doch während der gesamten Zeit unserer Beziehung lernte ich niemanden aus seiner Familie kennen. Nachdem wir etwa drei Monate zusammen waren, nahm ich ihn einmal sonntags mit nach Riley zum Mittagessen. Als wir wieder aufbrachen, schüttelte mein Vater, selbst Vietnamveteran, der das Thema bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht angeschnitten hatte, Simon die Hand und sagte: »Männer wie Sie machen diesem Land alle Ehre.« Auf dem Weg zurück nach Madison sagte mir Simon, wie beschämend er die Naivität meines Vaters fände.
Heute frage ich mich, ob ich damals so eine Art Roboter gewesen bin. Nicht nur in dem Moment, als ich auf Simons Bemerkung nicht reagierte, sondern während unserer gesamten gemeinsamen Zeit. Doch alles machte den Anschein einer Beziehung, hatte die entsprechenden Konturen und Rituale, wer wollte da behaupten, dass es keine war? Mittwochs kochte ich für ihn, samstags abends sahen wir uns im Majestic einen Film an (außer meiner Freundin Rita Alwin, der Französischlehrerin, war er die einzige Person, die ich nie überreden musste, sich einen ausländischen Film anzusehen), und nach dem Kino gingen wir zu mir und schliefen miteinander, bevor er gegen Mitternacht nach Hause fuhr. Nach den ersten paarmal erreichte ich nicht mehr regelmäßig den Höhepunkt, doch ich schrieb es einem anfänglichen Überschwang an Erregung meinerseits zu, statt späteren Versäumnissen seinerseits. Wir gewöhnten uns schnell aneinander, und wenn er mürrisch war, gab das meinem Dasein einen Sinn; mich auf ihn einzustellen, sah ich als Herausforderung. Ich führte das nicht auf die traditionelle Rollenverteilung in unserer Generation zurück, sondern darauf, dass ich ich und er er war.
Meine Eltern schienen mit ihm zufrieden zu sein. Zwar konnte sich meine Mutter nicht dazu durchringen, mich direkt zu fragen, wann wir uns verloben würden, doch sie sagte Dinge wie: »Meinst du, Simon wäre daran interessiert, mit Daddys Hilfe eine Arbeit in der Bank zu finden?« Oder:»Ginny Metzger hat mir erzählt, dass Arlette ein Hochzeitskleid mit echter Spitze für nur siebzig Dollar in einem Brautgeschäft in Milwaukee gefunden hat.« Das Einzige, was meine Großmutter diesbezüglich sagte, war: »Er ist wie Mr. Lloyd, oder?«, was eine Anspielung auf den lasterhaften, einarmigen Kunstlehrer aus
Die Blütezeit der Miss Jean Brodie
war. Sie gab mir damit zu verstehen, dass Simon einen unvorteilhaften Eindruck bei ihr hinterlassen hatte. Wie unvorteilhaft, begriff ich erst einige Monate später.
Es war an Weihnachten des gleichen Jahres – wir hatten 1973 –, da sagte meine Großmutter, während ich in ihrem Zimmer eine Bluse bügelte, zu mir: »Du kannst diesen Mann nicht heiraten.« Sie saß auf ihrem Bett und las ein Buch, von dem sie beim Sprechen nicht einmal aufsah.
Ich wandte mich um. »Sprichst du von Simon?«
»Er ist ein Trauerkloß.«
Verdutzt sah ich sie an. »Granny, er hat eine Menge durchgemacht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich sage ja nicht, dass er es nicht schwer hat, aber ich wette, dass er schon als Kind ein Trauerkloß war.«
»Willst du damit andeuten, dass ich mich von ihm trennen soll?«
Meine Großmutter dachte kurz nach, dann sagte sie: »Ich denke,
Weitere Kostenlose Bücher