Die Frau des Praesidenten - Roman
genau das tue ich.«
Ich schwieg.
»Jetzt, da Dena unten in Kansas City ist, wer außer mir soll da sonst Tacheles mit dir reden?«, fragte meine Großmutter. »Sei nicht beleidigt. Ich will nur dein Bestes.«
»Vielleicht willst du ja nur nicht, dass ich heirate«, gab ich zurück und verkniff mir, was ich eigentlich sagen wollte: dass ich einen Mann heirate. Meine Großmutter und ich sprachen nie über Gladys Wycomb, nicht einmal vor oder nach ihren Besuchen in Chicago. Nach all den Geschehnissen vom Herbst 1963 hatten meine Großmuter und ich wortlos Frieden geschlossen – ich hatte ihr so viel zu verdanken –, und im Laufe der Zeit hatte sich unser Verhältnis wieder normalisiert. Dochmanchmal musste diese Normalität geschützt werden. Also versuchte ich, weniger wertend zu sein, als ich es als Teenager gewesen war, dafür rücksichtsvoller und umsichtiger. Gerade an diesen Bemühungen ließ sich jedoch ablesen, dass die Dinge zwischen uns nie wieder spontan und einfach sein würden.
»Warum sollte ich nicht wollen, dass du heiratest?«, fragte meine Großmutter spöttisch. »Das ist ja lächerlich. Die Ehe ist vielleicht kein Zuckerschlecken, aber verglichen mit den Alternativen schneidet sie nicht schlecht ab. Ich werde dir sagen, was das Problem an deinem Freund ist. Es sind genau genommen zwei.«
Ich war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, sie am Weitersprechen zu hindern, und der Neugier, zu erfahren, was sie dachte.
»Erstens«, begann sie, »er ist langweilig. Unlebendig. Nun, viele Frauen heiraten Männer, die langweilig sind, aber deinem Simon fehlt es außerdem an Freundlichkeit, und diese Kombination ist tödlich. Du kannst einen langweiligen, freundlichen Mann heiraten oder einen gefühllosen, aber faszinierenden Mann – manchen Frauen gefällt so etwas. Aber einen Mann zu heiraten, der schwerfällig
und
herzlos ist, ist die Anleitung zum Unglücklichsein.«
Während ich ihr zuhörte, spürte ich das Blut in meinen Kopf steigen, und das nicht aufgrund der Hitze des Bügeleisens.
»Du kennst ihn kaum«, sagte ich.
»Ich bin gut im Beobachten von Verhaltensweisen. Du bist ganz vernarrt in diesen jungen Mann, und er ist kalt wie ein Fisch. Hör zu, wenn du ihn heiratest, werde ich in der Kirche sitzen und dir zulächeln, da ich wissen werde, dass du diese Entscheidung mit offenen Augen getroffen hast. Würde ich aber meinen Mund halten, dann müsste ich mich stets fragen, ob ich dir nicht eine Menge Kummer hätte ersparen können.«
»Na, dann kannst du jetzt für nichts mehr verantwortlich gemacht werden.« Ich versuchte, heiter zu klingen, um zu zeigen, dass ich ihr ihre schroffen Worte nicht übelnahm, doch anscheinend lag ihr gar nichts daran.
»Mir ist vollkommen klar, dass es hier um den Imhof-Jungen geht«, sagte sie. »Du willst einen toten Jungen gegen einen verwundeten Mann tauschen, und wenn ich der Meinung wäre, das könnte funktionieren, würde ich es dich versuchen lassen. Aber es ist unrealistisch. Ein Unglück lässt sich nicht durch ein anderes aufwiegen.«
Ich dachte natürlich, sie läge, was Simon anbetraf, falsch. Ich dachte es wirklich, doch während die Zeit verging und ihre Worte nachhallten, veränderte sich etwas. Eines Abends, wir hatten gerade ein italienisches Restaurant verlassen, kamen mir ihre Worte in den Sinn, als ich mich vor dem Einsteigen in den Wagen auf die Zehenspitzen stellte, um Simon einen Kuss zu geben, er jedoch sein Gesicht abwandte und sagte: »Du riechst entsetzlich nach Knoblauch.«
Dennoch verbrachten wir weiterhin zwei Abende in der Woche zusammen, und an einem Mittwochabend, einen Monat vor unserem ersten Jahrestag, fragte ich ihn beim Verteilen des Rahmhühnchens, das ich in meiner Wohnung für uns zubereitet hatte: »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass wir heiraten könnten?«
Das Hühnchen dampfte, und Simon hatte seine Brille abgenommen, um die Gläser zu putzen. »Eigentlich nicht«, sagte er.
Mir war schlagartig klar, dass sowohl dieses Gespräch als auch unsere Beziehung vorbei waren, doch die Situation schien ein Nachhaken zu erfordern.
»Obwohl wir seit fast einem Jahr zusammen sind?«
»Ich weiß nicht, ob ich an die Ehe glaube.« Er setzte seine Brille wieder auf. »Sie scheint mir eine Einrichtung, die dem Untergang geweiht ist. Aber was ich definitiv weiß, ist, dass ich keine Kinder will.«
Ich bin mir nicht sicher, was für ein Gesicht ich in diesem Moment machte (es traf mich völlig
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