Die Frau des Praesidenten - Roman
unvorbereitet, und ich war enttäuscht, gleichzeitig kam ich mir einfach nur dumm vor – hätte ich das nicht schon vor Monaten herausfinden müssen, hätte ich nicht meine Hausaufgaben machen müssen?), aber Simon sagte: »Ich schließe daraus, dass du Kinder willst.«
»Simon, ich bin Lehrerin. Ich würde nicht mit Kindern arbeiten, wenn ich sie nicht gern um mich hätte.«
Er legte seine Hand auf meine. »Lass uns das ein anderes Mal besprechen.«
Zwei Wochen später sagte er am Telefon zu mir: »Ich bin mir nicht sicher, ob wir auf lange Sicht zusammenpassen«, worauf ich erwiderte: »Ich denke, da könntest du recht haben.« So vollzogen wir die wahrscheinlich blutleerste Trennung aller Zeiten. Bei meinem nächsten Besuch zu Hause sagte meine Großmutter: »Meine alten Knochen sagen mir, dass du dich richtig entschieden hast.« Ich wollte nicht von ihr bemitleidet werden, darum nickte ich nur und verriet ihr nie, dass in Wirklichkeit gar nicht ich diese Entscheidung getroffen hatte.
Da Charlie die Nacht zuvor lange geblieben war, hatte ich dermaßen wenig geschlafen, dass mir bei meiner Ankunft in Riley am frühen Sonntagnachmittag schwindelig war, ich Schuldgefühle hatte und sich Erschöpfung in mir breitmachte. Außerdem plagten mich Kopfschmerzen, die über meinen Augen zusammenliefen.
Ich stellte fest, dass der Wagen meiner Muter, ein cremefarbener Ford Galaxie, nicht in der Einfahrt stand. Nachdem ich die Haustür aufgeschlossen hatte, fand ich meine Großmutter auf der Couch im Wohnzimmer – meine dünne, nicht älter werdende Großmutter, die sich auf eine Diät aus Nikotin und Literatur gesetzt hatte. Sie hielt mir ihre Wange für einen Kuss hin, dann sagte sie: »Ich glaube, deine Mutter hat ein Geheimnis.«
»Ein gutes oder ein schlechtes?«
Der Gesichtsausdruck meiner Großmutter verriet sowohl Konzentration als auch Unsicherheit, als würde sie ein Gewürz schmecken, dessen Name ihr nicht einfallen wollte. »Ich denke, sie hat eine Romanze mit Lars Enderstraisse.«
»Mit Mr. Enderstraisse, dem Briefträger?«
»Er sieht ganz passabel aus. Ein wenig beleibt, aber das liegt vermutlich an der falschen Ernährung – er lebt allein.«
»Du glaubst also, Mom hat
Verabredungen
mit Mr. Enderstraisse?Seit wann?« Mr. Enderstraisse hatte seit meiner Kindheit auf dem Postamt in der Commerce Street gearbeitet. Er schien ein netter Mann zu sein, war ein wenig breit um die Hüften und trug einen Schnauzbart.
»Kein Grund, dich aufzuregen«, sagte meine Großmutter. »Deine Mutter ist eine erwachsene Frau, die ein wenig Spaß verdient hat.«
»Wie sicher bist du dir?«
»Sie führt lange Telefonate, die sie nach oben legt – vermutlich, damit ich nicht lauschen kann. Und sie macht geheimnisvolle Besorgungen. Wenn ich sie darauf anspreche, bleibt sie ziemlich vage.«
»Und wie passt Mr. Enderstraisse da hinein?«
»Bei ihm ist sie gerade. Er hat Gürtelrose, das behauptet Dorothy jedenfalls, und sie bringt ihm kalte Suppe.«
»Aber wenn du weißt, wo sie ist, dann ist daran doch nichts geheimnisvoll.«
Meine Großmutter schaute finster drein. »Jetzt werd mal nicht frech.«
»Ich meinte ja nur …« Ich machte eine Pause. »Granny, ich habe vielleicht auch eine Romanze.«
Sie wurde augenblicklich putzmunter.
»Aber Dena hat ihn zuerst kennengelernt, und jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich mag ihn wirklich, auch wenn wir uns erst seit gestern Abend kennen.«
»Du meine Güte.« Meine Großmutter schlug die Beine übereinander. »Bitte bring mir einen Eistee, und dann erzähl mir die ganze Geschichte.«
Ich schenkte uns beiden ein Glas Eistee aus der Kanne im Kühlschrank ein, ging damit zurück ins Wohnzimmer und schilderte die Ereignisse des vergangenen Abends, wobei ich Denas Rausch sowie Charlies ausgedehnten Besuch in meiner Wohnung ausließ. Ich sprach es nicht direkt aus, versuchte aber anzudeuten, dass wir uns voneinander verabschiedet hatten, nachdem er mich nach Hause begleitet hatte. Meine Großmutter mochte Dena, daher konnte ich nicht einschätzen, wie sie reagieren würde. Sie war nicht immer von ihr begeistert gewesen,sondern hatte erst im Sommer 1968, als ich meinen College-Abschluss machte, ein Faible für sie entwickelt. Eines Nachmittags hatte mir meine Großmutter eröffnet, dass sie gern einmal dieses Marihuana, das momentan in aller Munde sei, ausprobieren würde. Ich hatte bis dahin selbst noch kein Pot geraucht und mich nicht gerade begeistert an Dena
Weitere Kostenlose Bücher