Die Frau des Praesidenten - Roman
gewandt, als sie das nächste Mal in der Stadt war. Während meine Eltern bei einem Grillfest waren, setzten wir drei uns in das Schlafzimmer meiner Großmutter und rauchten einen Joint. »Ich verstehe zwar nicht, was die ganze Aufregung um dieses Zeug soll«, sagte meine Großmutter, »aber ich bin euch Mädels wirklich dankbar, dass ihr meine Neugier befriedigt habt.« Im Anschluss an den Joint zündete sie sich eine normale Zigarette an.
Ich beendete meinen Bericht über Charlie, und meine Großmutter nahm einen Schluck Eistee. »Das ist zweifellos eine schwierige Situation für dich und Dena.«
»Meinst du, ich sollte ihn nicht wiedersehen?«
Sie stellte ihr Glas auf einem Korkuntersetzer ab. »Ich würde keine vorschnelle Entscheidung treffen. Warte erst einmal ab, wie sich alles entwickelt.«
»Ich weiß nicht mal, ob er anrufen wird, aber ihn kennenzulernen fühlte sich so vielversprechend an … ich kann es gar nicht richtig beschreiben.«
»Seine Gesellschaft ist angenehm«, sagte meine Großmutter.
War es wirklich so einfach? Und wenn, warum fühlte es sich so überwältigend an? Draußen hörte ich den Wagen meiner Mutter.
»Kein Wort über Lars Enderstraisse.« Meine Großmutter presste Daumen und Zeigefinger aufeinander und führte sie quer über den Mund. »Deine Lippen sind versiegelt.«
Nachdem meine Großmutter um acht nach oben gegangen war, saß ich an diesem Abend allein mit meiner Mutter vor
Der Sechs Millionen Dollar Mann
, wobei wir beide nicht aufmerksam zusahen. Sie bestickte ein Brillenetui, und ich blättertedurch die neueste Ausgabe der
Vogue
, die meiner Großmutter gehörte. In einer Werbepause wandte ich mich ihr zu und sagte: »Mom, falls du dich je wieder mit jemandem treffen willst …«
Weiter kam ich nicht, denn sie entgegnete bereits: »Wie um alles in der Welt kommst du denn auf diese Idee?«
»Ich will damit nicht sagen, dass du es tun oder lassen solltest, aber wenn du es tun würdest – wenn du das Gefühl hättest, so weit zu sein –, würde dir das niemand übel nehmen.«
»Alice, was würde dein Vater denken, wenn er dich so reden hörte?« Sie legte ihre Stickarbeit zur Seite und verließ das Zimmer, und während ich noch darüber nachdachte, wie tief ich sie gekränkt hatte, kam sie zurück, ihre linke Hand hatte sie zu einer Faust geballt. Sie setzte sich wieder neben mich, öffnete die Finger und enthüllte eine goldene Brosche. »Kannst du die für mich verkaufen?«
Die Brosche hatte die Form eines Astes, dessen Blätter mit vielen winzigen Diamanten besetzt waren und an dem ein einzelner kleiner runder Granat hing – er sollte wohl einen Apfel oder eine Beere darstellen. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen.
»Sie gehörte meiner Mutter, aber ich habe keine Verwendung dafür«, sagte sie.
»Aber es wäre doch sicher schön, sie als Andenken aufzuheben.« Meine Mutter schien so wenig Greifbares zu haben, das sie mit ihrer Familie verband, daher verstand ich nicht, warum sie sich davon trennen wollte. Sie gab mir die Brosche, und ich befühlte den Granat mit der Fingerspitze; er war kühl und glatt. »Du könntest sie an Weihnachten in der Kirche tragen«, sagte ich, und ohne jede Vorwarnung brach meine Mutter in Tränen aus. »Mom, was ist denn los?« Ich legte ihr eine Hand auf den Rücken. Ich hatte meine Mutter zuletzt kurz nach dem Tod meines Vaters weinen sehen.
»Ich habe etwas Schreckliches angerichtet«, sagte sie.
»Wovon redest du?«
»Es war von Anfang an ein Missverständnis. Aber im Zweifelsfall entscheidet man eben zugunsten eines jungen Menschen, und ich dachte, es wäre eine Gelegenheit, einen Notgroschenzurückzulegen, sowohl für Granny und mich als auch für dich, weil du doch immer so viel arbeitest. Und der Gewinn, hat er gesagt, liege bei bis zu dreihundert Prozent im Jahr.«
»Wer ist er? Jetzt mal ganz von vorn.« Obwohl mich ein ungutes Gefühl beschlichen hatte, war es wichtig, dass einer von uns die Nerven behielt. »Ich will dir helfen, Mom, aber dafür muss ich verstehen, was passiert ist.«
»Ein junger Mann, etwa in deinem Alter. Er kam vorbei, war freundlich und sehr intelligent.«
»Hast du ihm Geld gegeben?« Ich bemühte mich, ruhig zu klingen.
»Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht.« Wieder kamen ihr die Tränen, und ich sagte: »Mom, es ist alles in Ordnung. Wir werden eine Lösung finden. Aber ich muss wissen, wie viel du ihm gegeben hast.«
»Von deinem Vater … von der Versicherung …« Ihre
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