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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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sprach ich während Verabredungen kaum über meine Arbeit – wenngleich das hier natürlich keine Verabredung war. »Tikki Tikki Tembo-no sa rembo-chari bari ruchi-pip peri pembo«, sagte ich, und als ich fertig war, lächelten wir uns an.
    »Noch mal«, forderte er mich auf. Ich wiederholte den Namen, und Charlie sagte: »Das ist echt beeindruckend.«
    Ich machte eine Verbeugung.
    »Die Kinder, die du unterrichtest, müssen verrückt nach dir sein.«
    »Nun, ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen. In der Junior High fangen die Schüler langsam an, gegen ihre Lehrer zu rebellieren, in der Grundschule hingegen streiten sie sich darum, wer auf deinem Schoß sitzen darf.«
    Er sah mich an – er stand noch immer in der Zimmermitte, während ich an der Tür stand –, und die Art, wie er mich ansah, kann ich nur mit einem Wort beschreiben: Faszination. Ich hatte keine Ahnung warum, aber Charlie Blackwell fand mich faszinierend. Und ich erkannte in einer Mischung aus Schmerz, Gewissensbissen und aufkeimender Hoffnung, dass mich seit Andrew Imhof kein Mann mehr so angesehen hatte. Während der vergangenen vierzehn Jahre hatte ich jede Menge Verabredungen gehabt, Beziehungen geführt, sogar einen Heiratsantrag bekommen, doch ich hatte niemanden fasziniert.
    »Alice, was würdest du tun, wenn ich dich jetzt küssen würde?«, fragte Charlie.
    Wir sahen uns an, und in der Luft lagen Schüchternheit und Verheißung. Ich ließ mir Zeit, dann sagte ich: »Ich schätze, um das herauszufinden, musst du es darauf ankommen lassen.«
     
    Ich hatte Simon Törnkvist mit sechsundzwanzig in einem Schuhgeschäft kennengelernt, als er sich gerade Clogs, ich mir ein Paar Dr.-Scholl-Sandalen kaufte. Er war eins fünfundneunzig groß, schlank und trug eine dieser John-Lennon-Brillen mit Goldrahmen und runden Gläsern. Seine blonden Haare hingen strähnig herab, und er hatte einen dünnen, blonden Bart. Neben seinem linken Auge, dessen Lid herabhing, verlief vom oberen Ende des Wangenknochens bis unter das Ohr eine Narbe. Außerdem fehlte ihm die linke Hand. Noch bevor er mir davon erzählte, dachte ich mir bereits, dass seine Verletzungen aus Vietnam stammten. Später sollte ich erfahren, dass er Linkshänder gewesen war und seine Handschrift nun sehr kindlich aussah.
    Während wir in dem Geschäft saßen und darauf warteten, dass uns der Verkäufer Schuhe zum Anprobieren brachte, machte ich eine Bemerkung über das für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Märzwetter. Nachdem wir gezahlt und das Geschäft verlassen hatten, blieben wir auf dem Gehweg stehen und unterhielten uns weiter. Etwa zehn Minuten waren vergangen, da hielt er seinen linken Arm nach oben. Er trug ein langärmeliges, rostfarbenes Hemd, dessen Ärmel unterhalb des Ellbogens umgeklappt und an der Schulter befestigt war. »Stört Sie das?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich.
    »Hätten Sie dann vielleicht Lust, mit mir ins Kino zu gehen?«
    Wir gingen in
Der Pate
. Ich setzte mich bewusst an seine rechte Seite, für den Fall, dass er meine Hand nehmen wollte, doch er versuchte nichts dergleichen. Anschließend aßen wir in einem Pub in der Doty Street zu Abend. Den Film hielt er für überbewertet, warum, erklärte er mir nicht. Er war ein Jahr jünger als ich, was mich überraschte – ich hatte die alberne Angewohnheit, Menschen, die größer waren als ich, für älter, und solche, die kleiner waren, für jünger zu halten –, und war Disponent in einem Installationsbetrieb. Daneben besuchte er Kurse an der Universität, wobei er zu Philosophie oder Politikwissenschaft als Hauptfach tendierte, sich jedoch nochnicht entschieden hatte. Aufgewachsen war er auf einer Erbsenfarm außerhalb von Oshkosh.
    Obwohl mich unsere Unterhaltung nicht sonderlich fesselte, verspürte ich die gesamte Zeit über eine Art inneres Schaudern, als ob mein Brustkorb jeden Moment in sich zusammensacken könnte und ich mich konzentrieren müsste, dies zu verhindern. Ich erkannte das Gefühl als solches: körperliche Anziehung. Simon fuhr mich nach Hause (zuvor hatte ich mich gefragt, ob an seinem Lenkrad ein Knauf – ein »Kuschel-Knauf«, wie wir es als Heranwachsende genannt hatten – befestigt sein würde. Denas Großvater, der bei einem Traktorunfall seine rechte Hand verloren hatte, hatte in seinem Wagen einen gehabt. Doch der Knauf fehlte und Simon steuerte den Wagen mit nur einer Hand vollkommen routiniert). Vor meiner Wohnung angekommen, beugte ich mich zu ihm rüber und gab ihm einen

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