Die Frau des Praesidenten - Roman
ich haben soeben unseren fünften Hochzeitstag gefeiert.«
»Meinen Glückwunsch.«
»Ich kann diese Einrichtung nur weiterempfehlen, oder vielleicht haben Sie deren unzählige Freuden schon aus erster Hand erlebt?« Er klang freundlich – er
war
freundlich, er war praktisch ein Engelchen –, doch er wirkte auch durch und durch berechnend. Ebenso fröhlich wie er gab ich zurück: »Ich bin mir
fast
sicher, dass ich noch nicht verheiratet war.« In diesem Moment tauchte Charlie hinter ihm auf, legte ihm beide Hände auf die Schultern und massierte sie kurz.
»Hör nicht auf das, was dieser Mann dir sagt«, sagte Charlie, und ich konnte spüren, wie er überlegte, ob er mir einen Kuss auf die Wange geben sollte, ob es zu kühn oder zu öffentlich wäre. Stattdessen nahm er meine Hand und drückte sie. Langsam, ganz unauffällig, zog ich sie zurück.
Wir liefen zu dritt in Richtung Tür, und ich sagte: »Deine Rede hat mir gefallen.«
Charlie zuckte mit den Schultern. »Hätte besser, hätte aber auch schlechter sein können. Vielleicht hätt’s was gebracht, wenn das Publikum nicht im Koma gelegen hätte.« Wir hatten den Raum noch nicht verlassen, auf der anderen Seite stöpselte der Präsident gerade das Mikrofon ab. Im Gegensatz zu Charlie fragte ich mich, ob er uns hören konnte.
»Das ist nur die Aufwärmphase, Alice«, sagte Hank und öffnete die Tür. »Multiplizieren Sie den heutigen Abend mit tausend, das gibt Ihnen eine Vorstellung.«
Charlie gab mir einen leichten Stups mit dem Ellbogen. »Die Mühe kannst du dir sparen, Ucks. Sie ist nicht so leicht zu beeindrucken.«
Wir waren am Parkplatz angekommen, und Hank sagte: »Es war mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Alice.« Er nahm meinerechte Hand und hauchte einen Kuss auf den Handrücken, was ich sowohl als aufdringlich als auch als parodistisch empfand, eine Parodie worauf, konnte ich allerdings nicht sagen.
Charlie warf Hank einen Schlüsselbund zu. »Wir sprechen uns morgen früh, alter Junge?«
»Du weißt, wo du mich findest«, sagte Hank. Er ging ein paar Meter, dann drehte er sich um. »Für den Fall, dass Sie sich Sorgen machen sollten, Alice, Harry und Janice kommen am Ende wieder zusammen.«
Ich muss ihn verständnislos angesehen haben, denn er deutete auf den Roman, den ich nicht in meine Tasche zurückgesteckt hatte, und sagte: »
Astronautenmond
ist ausgereifter als
Hasenherz
, aber um ehrlich zu sein, fand ich beide Bücher zügellos.«
»Mit Zügellosigkeit kennst du dich ja aus, was, Ucks?«, rief ihm Charlie nach, während Hank zu seinem Wagen ging. Und als ob ihm gerade etwas eingefallen wäre, sagte er dann zu mir: »Hey, weißt du was? Sieht so aus, als bräuchte ich eine Mitfahrgelegenheit.«
Ich verdrehte die Augen. »Nun, da ich gehört habe, dass du gar nicht in Madison wohnst, wüsste ich nicht, wohin ich dich bringen könnte.«
»Oh, das.« Charlie winkte ab. »Man muss offenbar in dem Bezirk, in dem man kandidiert, auch wohnen, also hat Hank mir eine Mietwohnung in Houghton besorgt. Meine Wohnung in Madison läuft auf meinen Bruder.«
»Gewieft.«
»Nee, eigentlich völlig normal. Also, es gibt da einen phantastischen Burgerladen auf dem Weg nach Beaver Dam – gehörst du zu den Mädels, die Cheeseburger mit Speck essen?«
»Das klingt aber verdammt nach einer Verabredung, Charlie.«
Er grinste. »Keineswegs. Lediglich zwei Erwachsene verschiedenen Geschlechts, die sich an einem Sommerabend auf einen Plausch treffen.«
Während Charlie sprach, verließ Hank hupend den Parkplatz. »Dein Wahlkampfleiter oder was immer er ist, hat mirsoeben das Ende von meinem Buch verraten«, sagte ich. »Hast du das mitbekommen?«
Charlie täuschte einen drohenden Gesichtsausdruck an. »O Mann, Hank sitzt ganz schön in der Scheiße. Morgen werd ich ihm gehörig die Leviten lesen.«
»Im Ernst«, sagte ich. »Dafür gab es keinen Grund.«
»Er hat sich nur einen Spaß mit dir erlaubt. Wahrscheinlich will er mit dir über Bücher reden – er ist verdammt belesen – und ist einfach zu blöd, es einzufädeln. Für die weniger Intellektuellen unter uns …« Charlie nahm erneut meine Hand, und diesmal ließ ich es zu. »Was ist nun mit dem Burger?«
Das Restaurant hieß Red’s. Wir saßen zwischen billig glänzenden Pinienholzwänden in einer Nische auf schwarzen Kunststoffbänken an einem Tisch, in den Initialen sowie Liebes- und Hassschwüre geritzt waren. »Die Zwiebelringe hier sind überirdisch«, sagte Charlie.
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