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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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in seinen Burger, den er nicht, wie ich, in der Mittedurchgeschnitten hatte, sondern am Stück in beiden Händen hielt und gierig verschlang. »Ich bin wohl genauso ein Heuchler wie alle anderen«, sagte er. »Aber um einem Jungen eine gespaltene Persönlichkeit zu verpassen, gibt es nichts Wirkungsvolleres, als einen Vater zu haben, der zum Gouverneur gewählt wird, während man selbst in der achten Klasse ist. Ich will mich wirklich nicht beschweren. Ich könnte nicht stolzer auf ihn sein. Aber ich sag dir, wie’s läuft: Bei öffentlichen Veranstaltungen gehörst du der königlichen Familie an, im Umkleideraum bist du das Schwarze der Zielscheibe, dann kommst du aufs Internat, und wenn die Leute hören, dass du aus Wisconsin stammst, glauben sie, du wärst in einem Viehstall großgeworden. In meiner ersten Woche in Exeter hat mich ein Kerl allen Ernstes gefragt, ob ich als Kind zu Hause Elektrizität gehabt hätte. Letzten Endes haben mich die Vorurteile, denen ich begegnet bin, nur stolzer auf mich und meine Herkunft gemacht, aber bedeutet das, dass ich in das Bowlingteam von meinem Automechaniker eintreten würde? Wohl eher nicht.« Er grinste verschlagen. »Zumindest nicht, bevor ich meine Kandidatur offiziell bekanntgegeben habe und ein Fotograf der
Houghton Gazette
vor Ort ist, um darüber zu berichten. Im Ernst …« Er lehnte sich nach vorn. »Ich bin nicht elitär. Das glaubst du mir doch, oder?«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«
    Er wirkte aufrichtig beunruhigt, und mit dieser Aufrichtigkeit gewann er mich zurück. Charlies Ansichten unterschieden sich vermutlich nicht allzu sehr von denen der anderen Männer, die beim Barbecue der Hickens anwesend gewesen waren. Der einzige Unterschied war, dass Charlie seine so offen preisgab. Ich sagte: »Ich wette, du warst ein schrecklich süßer Quälgeist in der achten Klasse.«
    Augenblicklich kehrte sein Grinsen zurück. »Das kannst du laut sagen. Was hältst du von dem Burger?«
    »Lecker.« Ich hatte noch nicht einmal eine Hälfte geschafft, während er seinen schon verputzt hatte.
    »Ich hab eine Idee«, sagte Charlie. »Ist mir grade eingefallen. Willst du sie hören?«
    »Natürlich.«
    »Ich werd jetzt die Rechnung bezahlen. Dann fahren wir zurück nach Madison … ich kann gern fahren, wenn du willst. Wir gehen zu dir in die Wohnung, ziehen uns aus, steigen ins Bett, und ich zeige dir, dass wir Republikaner eine gewisse Ahnung von so gewissen Dingen haben.« Er machte eine Pause. »Natürlich darfst du vorher noch aufessen.«
    Ich hätte schockiert sein oder ablehnen können, doch es wäre unaufrichtig gewesen – ich hatte in meinem Leben bei weitem schockierendere und unangenehmere Dinge erlebt als eine sexuelle Offerte. Außerdem hatte er so jungenhaft, so süß geklungen. Die Beleidigte zu spielen hätte nur dann Sinn gemacht, wenn ich der Schicklichkeit wegen gewollt hätte, dass er mich für beleidigt hält. Doch das war albern. Ich war einunddreißig Jahre alt. Zum Teufel mit meinen Bedenken wegen des Überspringens zu vieler Stufen des Kennenlernens, zum Teufel mit dem Konflikt – dem Konflikt, ob ich Charlie treffen sollte –, in dem ich mich sowieso nicht durchsetzen wollte. Nein, ich war mir nicht hundertprozentig sicher, was ihn betraf, und ja, es würde meine Freundschaft mit Dena belasten. Aber die Verantwortung und Vorsicht, die all die Jahre – seit dem Unfall, in mancherlei Hinsicht sogar schon davor – mein Handeln bestimmt hatten, waren mir nicht immer zugute gekommen, besonders nicht in letzter Zeit. Hinzu kam, dass Charlie so unglaublich gut aussah. Ich
wollte
mich ausziehen und mit ihm ins Bett sinken.
    Ich legte meinen Cheeseburger hin und sagte: »Ich bin fertig mit Essen.«
     
    In meiner Wohnung belagerten Pierre und Unser Herr Hatschi mein Bett, direkt daneben hockte Babyhase aus
The Runaway Bunny
, den ich in ein Anglerkostüm gesteckt hatte (Mutterhase wartete im Wohnzimmer auf ihre Angel und Gummistiefel). Vorsichtig stellte ich die Figuren auf den Boden an die Wand, und als ich mich umdrehte, war Charlie oben herum bereits nackt und zog gerade seine Hose aus. »Was ist?«, fragte er. »Dachtest du etwa, ich habe nur Spaß gemacht?«
    »Lass mich wenigstens Musik anmachen.« Im Vorbeigehen deutete ich einen Klaps an, berührte ihn aber nicht und registrierte dabei (unauffällig, wie ich hoffte), dass sein Oberkörper muskulös und sonnengebräunt war, mit einigen, nicht zu vielen hellbraunen Haaren. Im

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