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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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teilen gedachte.
    Nicolaus war über diese Erkenntnis nicht überrascht. Auch wenn das Kloster recht weit von der vermeintlichen Unglücksstelle entfernt lag, bestand dennoch die große Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Details hierhergelangt waren. Klöster waren Orte der Zusammenkunft und ihre Äbte in der Regel Geistliche mit adeliger Herkunft. Sie pflegten somit nicht nur Kontakt mit anderen Geistlichen, sondern auch mit ihren Familienangehörigen sowie mit geschäftigen Fürsten und Grafen weltlicher Herkunft, welche für gewöhnlich über Gegebenheiten wie Schiffsunglücke Bescheid wussten. Außerdem verfügten die Äbte selbst meist über ein gutes und weitverzweigtes Netz von Spähern und Boten, die ihnen alle gewünschten Neuigkeiten des Landes direkt oder über Briefe übermittelten.
    Bodo hielt die Spannung fast nicht mehr aus und rutschte auf seinem Sessel hin und her. Noch immer stand die Antwort des Abts aus, doch er konnte nichts tun, als abzuwarten. Vor dem Passieren des Klostertors hatte Nicolaus ihm noch eingebläut, im Gespräch mit dem Abt besser den Mund zu halten. Viele hohe Geistliche schätzten es nicht, wenn sie durch Schutz- und Geleitbriefe mit einfachen Boten zu sprechen gezwungen waren. Wie sich herausstellte, war Abt Otto auch ein solcher Geistlicher, denn er würdigte Bodo keines Blickes.
    So war es wieder Nicolaus, der auf die indirekte Frage Ottos antwortete. »Ganz richtig, Vater. Wir wurden geschickt, um Nachforschungen über das Unglück anzustellen und nach eventuellen Überlebenden zu suchen. Könnt Ihr uns etwas darüber berichten?«
    Der Abt gönnte sich erneut eine lange Schweigepause, in der er noch immer sichtlich damit kämpfte, ob er sein Wissen preisgeben sollte oder nicht. Er winkte einen Novizen heran und deutete ihm, mehr Wein zu bringen. Ganz genau beobachtete er den Jungen, der mit zittrigen Händen nachschenkte. Erst dann setzte er zu einer Antwort an.
    »Tatsächlich hat sich in den letzten Tagen etwas zugetragen, das möglicherweise ein Hinweis auf das Schiffsunglück sein könnte.«
    Bodo atmete hörbar ein vor Aufregung, hielt jedoch gleich die Luft an, als ihn Nicolaus’ strafender Blick traf. Um einen gelassenen Ton bemüht, fragte der Missionar: »Was genau besagt dieser Hinweis, ehrenwerter Abt?«
    »Ich sagte ja bereits, dass Euer Vetter mir ein guter Vertreter in weltlichen Dingen ist. Gerade vor zwei Tagen kam er zurück von einer Reise aus der Stadt Varel, wo mein Kloster einige Höfe innehat. Von dort aus brachte er mir die Kunde mit, dass es unter den Bauern Gerede über einen fremden Mann gab. Wie ein Geist sei er am Strand aufgetaucht und wieder verschwunden.«
    Auch Nicolaus musste seine Ungeduld nun bekämpfen, denn ihm kamen jetzt die Worte des Bettlers aus Bockhorn in den Kopf. Hatte der abgerissene Alte etwa doch recht gehabt? »Ist Euch der Name dieses Mannes bekannt?«
    »Nein«, erwiderte der Abt gelangweilt. »Er ist mir nicht bekannt. Zugegeben, ich habe der Sache auch keine große Bedeutung beigemessen. Sagt mir, Bruder Nicolaus, warum ist dieser Mann von so großer Wichtigkeit für Hamburg?«
    Nun kam der Missionar tatsächlich ins Schwitzen. Einem so hohen Würdenträger ins Gesicht zu lügen, fiel ihm doch schwerer als erwartet. »Ehrwürdiger Abt, ich würde Euch diese Auskunft gerne erteilen, doch wir sind nur zwei demütige Boten der klugen Köpfe Hamburgs. Wir schulden unseren Stadtvätern und der heiligen Kirche Gehorsam und sind viel zu unbedeutend, als dass man uns Näheres angetragen hätte. Bitte verzeiht einem Diener diese unbefriedigende Antwort.« Mit jedem seiner Worte sank der Kopf Nicolaus’ tiefer, um somit Demut und Ehrerbietung zu beweisen.
    Der Abt war zwar sichtlich enttäuscht darüber, nicht mehr zu erfahren, doch schlussendlich gab er sich damit zufrieden.
    Nach einem weiteren Tag im Kloster Rastede verabschiedeten sich Bodo und Nicolaus mit überschwänglichem Dank und ritten in Richtung Varel.

3
    Nach einer feuchten und kurzen Nacht hatten Walther und Thiderich sich aufgerafft und waren weiter in Richtung Aldessen gezogen.
    Als Thiderich seinen Begleiter wieder hinter sich auf Millies Rücken ziehen wollte, wehrte sich die Stute mit gewaltigen Bucklern, sodass Walther prompt wieder abgeworfen wurde. Nach einem weiteren Versuch und einem weiteren Sturz weigerte sich Walther standhaft, es noch einmal zu probieren.
    Thiderich ärgerte sich zwar darüber, dass die Stute nun ihren Willen bekam, doch ihm blieb

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