Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Walther an, auf ihn einzureden.
»Seht doch, ich kann für Euch übersetzen. Ansonsten werdet Ihr mich kaum bemerken; ich verspreche es!«
»Also gut, du kannst mitkommen. Aber wenn du mir den letzten Nerv raubst, dann bind ich dich an den nächsten Baum; das verspreche ich dir !«
Thiderich konnte sehen, wie Walther mit seinem Grinsen kämpfen musste. Zusammen gingen sie zurück zu Walthers Vormund, der seinen Ziehsohn noch ein letztes Mal umarmte. »Mach mich stolz, Walther, und erfülle deine Pflicht unserem Herrn gegenüber.«
Thiderich stieg auf und zog danach den Blonden auf Millie. Diese legte übellaunig die Ohren an, um ihren Unmut darüber zu äußern, nun zwei Reiter tragen zu müssen. Da musst du jetzt leider durch, Millie, dachte Thiderich mitleidsvoll. Zumindest vorerst. Gleich darauf gab er ihr die Hacken, damit sie endlich fortkamen. Nicht, dass der Pfarrer noch all die anderen Bälger des Dorfes zusammenrief, um sie mit Thiderich auf Pilgerreise zu schicken. Noch immer war er wütend auf den ungebetenen Gast und wollte nicht mit ihm sprechen. Walther spürte das und hielt den Mund.
Kurze Zeit später erreichten sie Wersabe und fanden auch gleich darauf den Prahmführer von Harrien. Diese Siedlung lag auf der anderen Seite der Weser und schien um einiges größer zu sein als Sandstedt, weshalb sie auch eine Möglichkeit zum Übersetzen hatte. Dieser Prahmführer war sehr viel freundlicher als der erste auf Thiderichs Reise. Sicher brachte er ihn, Walther und auch Millie an das andere Ufer. Sie durchquerten Harrien ohne Verzögerungen und kamen dann in die scheinbar endlosen grünen und moorigen Weiten Frieslands.
Stundenlang sprach keiner ein Wort. Nur das Trappen von Millies Hufen war zu hören. Doch der Grund des Schweigens war keine Verbitterung. Längst hatte sich Thiderich mit seinem Schicksal abgefunden und Walthers Anwesenheit akzeptiert. Für ihn waren die Fronten geklärt. Sollte er ihm zur Last fallen, würde er ihn zurücklassen. Was ihn eigentlich beschäftigte, war sein Auftrag und wie er den Kaufmann in den kommenden Tagen finden sollte.
Walther hingegen schwieg aus einem anderen Grunde. Zu keiner Zeit war er weiter ins Land vorgedrungen als bis nach Harrien. Alles um ihn herum war neu und aufregend, jeder Schritt ins Unbekannte mehr als willkommen. Er konnte es nicht erwarten, etwas Spannendes zu erleben. Doch um diese Reise heil zu überstehen, sollte er sich besser mit Thiderich anfreunden. Allein war es einfach zu gefährlich – und auch viel zu langweilig. Zu gerne hätte er Thiderich ungeniert nach dem Ziel seiner Reise gefragt, doch das wäre ungeschickt gewesen. Vielleicht war das Ziel geheim, und dann hätte sein Gegenüber ihn vielleicht für zu neugierig gehalten. Nein, er sollte mit etwas Belangloserem anfangen. Sicher würde er noch früh genug erfahren, was Thiderich antrieb. Freundlich begann er das Gespräch. »Seid Ihr schon einmal in Friesland gewesen?«
Thiderich erwachte jäh aus seinen Gedanken und wollte zunächst barsch um Ruhe bitten, damit er weiterplanen konnte. Doch dann entschied er, dass es sicher förderlich wäre, sich besser kennenzulernen. So antwortete er dem Jungen, wenn auch weniger freundlich: »Nein, noch nie. Und du, hast du deine Heimat schon einmal verlassen?«
Wahrheitsgemäß gab Walther zurück: »Nein. Es ist das erste Mal.« Nach einer kleinen Pause gab er sich einen Ruck und sagte: »Ich danke Euch dafür, dass Ihr mich mitnehmt.«
Thiderich hielt Millie ruckartig an und drehte sich um, sodass er Walther ins Gesicht sehen konnte. Mit ernster Miene gab er zurück: »Meinst du wirklich, ich hätte eine Wahl gehabt? Sofern ich mich recht erinnere, hast du mich erpresst.«
Einen Atemzug lang hätte Walther sich für seine Blödheit ohrfeigen können, doch dann sah er, wie Thiderichs Mundwinkel zuckten. Kurz darauf lachte dieser laut los. Er lachte über all das Unglaubliche, was ihm auf seiner Reise bereits passiert war, und darüber, dass er sich jetzt gerade tatsächlich mit einem zweiten Mann ein Pferd teilte.
Nachdem er dem verdutzten Walther erklärt hatte, worüber er sich so amüsierte, fiel auch dieser mit ein. Sie lachten so schallend, dass sie vergaßen, sich richtig festzuhalten. Ein kleiner Schritt von Millie genügte, um die beiden Männer plötzlich ins Wanken zu bringen. Wie nasse Säcke fielen sie in den Dreck. Dieser Vorfall ließ nun alle Dämme brechen, und sie kugelten sich vor Lachen. Als sie sich endlich
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