Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
und wann immer die Ritter kommen, herrscht Angst. Doch ihren Stolz haben sie nicht eingebüßt«, sagte Walther bereits ein zweites Mal seit ihrem Kennenlernen. »Noch immer hört man in stillen Winkeln ihren Kampfspruch von damals. Lever tod as Sklav . Wisst Ihr, was das heißt? Lieber tot als Sklave, und ich sage Euch, für die Mehrheit der Friesen hat er noch immer seine Gültigkeit.«
Thiderich hörte stumm den Worten Walthers zu. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass er bereits einige Tage allein gereist war und sich nach Gesellschaft sehnte, oder ob es tatsächlich seine Worte waren. Walther erzählte einfach wunderbar; trotz der Schaurigkeit der Geschichte. Fast meinte Thiderich, einen versteckten Spielmann in ihm zu erkennen, aber diesen Gedanken behielt er lieber für sich. Spielmänner waren neben Huren die am meisten verachteten Gestalten weit und breit, obwohl sie so viel Frohsinn schenkten. Mit so jemandem wollte Walther sicher nicht verglichen werden.
Auch wenn die beiden Männer fünf Jahre trennten, waren sie einander gar nicht so unähnlich. Genau wie sein Gefährte hatte Thiderich neben seiner Heimatstadt Hamburg auch noch nicht wirklich viel in seinem Leben gesehen. Offen gab er zu, auch deshalb diese Reise angetreten zu haben und Walther somit gut verstehen zu können.
So floss der Tag an den Männern vorbei, ohne dass sie es wirklich bemerkten. Ein Wort zog das nächste nach sich, und erst als das Tageslicht zu schwinden begann, suchten sie sich eine einigermaßen trockene und geschützte Stelle und rollten sich in ihre Mäntel.
Der Aufenthalt in Bockhorn hatte die beiden Boten des Rates und des Domkapitels nicht weitergebracht. Im Gegensatz zu den Küstenorten Butjadingens hatte man hier noch nicht einmal von dem Schiffsunglück gehört. Nur ein zerlumpter Bettler, welcher vor der St.-Cosmas-und-Damian-Kirche um Almosen flehte, faselte etwas von einer hellsichtigen Hexe und einem Fremden am Strand. Doch Bodo und Nicolaus gaben nichts auf seine krächzenden Worte. Schnell wurde ihnen klar, dass sie hier nur ihre Zeit verschwendeten, und so machten sie sich auf zum Kloster Rastede, wo sie hofften, Nicolaus’ Vetter und den höchsten Würdenträger des Klosters anzutreffen. Abt Otto war ein Mann, den man nur schwer durchschaute. Er entstammte dem Haus Oldenburg und war sichtlich stolz auf seine Herkunft. Alles an ihm, seine Haltung, seine gebildete Aussprache und natürlich auch das gute Tuch, aus dem seine Kleidung war, verrieten seinem Gegenüber, dass er Respekt dafür einforderte. Neben seiner Amtstätigkeit als zehnter Abt zu Rastede war der vielbeschäftigte Geistliche auch noch Abt des St.-Pauls-Klosters zu Bremen. Immer wieder reiste er zwischen den beiden Klöstern hin und her; es war der reine Zufall, dass die Boten den umtriebigen Kirchenmann heute hier antrafen.
Gleich nach ihrer Ankunft in dem Benediktinerkloster wurden Bodo und Nicolaus zu Abt Otto geführt. Das offizielle Schreiben des Hamburger Rates und des Domdekans Sifridus machte sie zu wichtigen Gästen und verschaffte ihnen somit eine sofortige Audienz bei dem Geistlichen. Nachdem sie gemeinsam ein Dankgebet für ihre sichere Ankunft in der Klosterkirche St. Marien gesprochen hatten, geleitete Otto die Weitgereisten in seine privaten Gemächer.
»Sagt, Bruder Nicolaus, ich hörte, dass ein Vetter Eurerseits in meinem Kloster weilt?«
Den Kopf neigend, antwortete Nicolaus: »Das ist richtig, Vater. Es handelt sich um Bruder Anselm.«
»Bruder Anselm«, wiederholte der Abt in einer höheren Tonlage und nickte anerkennend. »Ich halte große Stücke auf Euren Vetter. Er ist einer der wissbegierigsten und fleißigsten unter den Brüdern und mir ebenso ein vertrauensvoller Helfer in weltlichen Dingen.«
»Es wird meinen Oheim freuen, das zu hören, ehrenwerter Abt.«
Nach dem üblichen Austausch der fast nicht enden wollenden Höflichkeiten stellte Abt Otto endlich die Frage, auf die sie alle warteten. »Also, was genau führt Euch von so weit her in mein Kloster? Eurem Geleitbrief nach zu schließen, seid Ihr mit Nachforschungen über das Schiffsunglück betraut, welches sich an den Küsten Rüstringens ereignet hat?«
Sofort nach diesen Sätzen war die Stimmung im Raum spürbar angespannt. Ottos skeptischer Blick beim Aussprechen der letzten Worte bestätigte nur, was Nicolaus bereits geahnt hatte. Der Abt wusste mehr, als er zugeben mochte, doch anscheinend wog er noch immer ab, ob er sein Wissen mit den Boten zu
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