Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
war alles ein von langer Hand geschmiedeter Plan!«
Noch immer blieb die erwartete Reaktion ihrer Freundin aus. Ragnhild hatte zunächst nur Platz für einen einzigen Gedanken in ihrem Kopf. »Das heißt … das heißt, ich habe Runa nicht einfach zurückgelassen? Mein Kind war mir nicht gleichgültig, und ich bin doch keine schlechte Mutter, wie man es mir vorgeworfen hat?«
Hildegard schüttelte nur den Kopf.
Ein Lachen breitete sich auf Ragnhilds Gesicht aus. Sie sprang auf und fiel ihrer einstigen Nachbarin in die Arme. »Danke, Hildegard, du weißt gar nicht, was mir das bedeutet. Ich dachte, dass ich tatsächlich nicht mehr in der Lage wäre, mich um meine Kinder zu kümmern. Doch jetzt weiß ich, dass es nicht so ist.«
Hildegard war verwirrt. Sie konnte ja verstehen, dass sich Ragnhild über diese Erkenntnis freute, doch was war mit der Intrige? Interessierte sie sich denn tatsächlich so gar nicht dafür, dass sie das Opfer von gemeinen Lügen geworden war? Hildegard kam nicht umhin, sich ernsthaft zu fragen, ob Ragnhild möglicherweise nicht doch den Verstand verloren hatte. »Hast du gehört, was ich gesagt habe? Man hat dich reingelegt und gemein hintergangen. Alles, was passiert ist, waren die Machenschaften feindlich Gesinnter, die einen Plan zu deinem Sturz verfolgt haben.«
»Ja, ich habe verstanden. Ich bin einem Plan zum Opfer gefallen. Und dennoch … ich weiß nicht genau, was du jetzt von mir erwartest.«
Hildegard packte Ragnhild so sanft an den Schultern, wie es ihr in ihrer Erregung möglich war, und sagte: »Du musst zum Rat gehen, du musst zum Grafen gehen, du musst irgendetwas tun, damit dir Gerechtigkeit widerfährt! Willst du denn tatsächlich mit dieser Ungerechtigkeit weiterleben? Was soll aus deinen Kindern werden, Herrgott noch mal?« Dann ließ Hildegard ihre Freundin wieder los. Der plötzlich aufwallende Gefühlsausbruch war wieder abgeebbt. Sie atmete tief durch, ordnete ihre verrutschte Haube und wartete auf Antwort.
Ragnhild jedoch ging gar nicht erst auf die vielen Fragen Hildegards ein. Die innere Ruhe, die sich seit dem Besuch bei der Magistra in ihr ausgebreitet hatte, erfüllte sie noch immer. Sie hörte sehr wohl, was Hildegard sagte, und sie wusste auch, dass sie eigentlich außer sich vor Wut sein sollte, doch Ragnhild hatte sich bereits entschieden. Mit ruhiger Stimme fragte sie: »Bitte, sage mir, liebe Freundin, wie geht es meinen Kindern? Sind sie wohlauf? Wie geht es meiner Runa bei ihrer Tante?«
Innerlich war Hildegard der Verzweiflung nahe. Sie konnte sich nicht erklären, warum Ragnhild so viel ruhiger und gelassener war als sie. »Warum nur bist du so … ich meine, wieso … Ach …« Hildegard musste neu ansetzen. »Es geht ihnen gut. Die Zwillinge sind natürlich Luburgis’ ganzer Stolz. Doch auch Runa ist wohlauf. Ich denke, dass sie die meiste Zeit mit deinen Mägden verbringt. Luburgis zeigt wohl wenig Lust, sich mit ihr abzugeben, doch das ist für Runa sehr wahrscheinlich auch besser so.« Hildegard hatte die Sätze halb trotzig, halb resigniert gesagt. Nun war sie mehr als gespannt auf Ragnhilds Reaktion. Sie rechnete wohl mit einigem, nur nicht damit, was nun kam.
»Das ist gut«, fasste Ragnhild in sich gekehrt zusammen. »Sie sind also wohlauf.« Dann blickte sie Hildegard direkt ins Gesicht. Ragnhild ging auf sie zu und fasste sie an den Händen. »Ich danke dir von Herzen, Hildegard. Deine Nachricht ist überaus wichtig für mich. Es geht mir nun viel besser. Jetzt weiß ich, was wirklich geschehen ist, und kann meinen Frieden damit machen. Aber ich werde dennoch hier im Kloster bleiben.«
Hildegard machte einen Schritt zurück und ließ wie von selbst Ragnhilds Hände los. »Du willst was ? Ich verstehe nicht. Was wird dann aus deinen Kindern? Willst du denn nicht deinen Ruf wiederherstellen?«
Ragnhild schüttelte den Kopf. »Hildegard, ich habe nichts mehr. All mein Erbe ist unwiderruflich auf Conrad und in den Besitz des Klosters übergegangen. Würde ich versuchen auszutreten, bliebe mir nur eine Wahl. Ich müsste zurück zu Conrad und Luburgis; zurück zu den Menschen, die mir all das angetan haben. Nein, ich werde hierbleiben. Auch meinen Kindern wird es ohne mich besser gehen. Was wäre das für ein Leben? Mittellos und ohne Rechte. Glaubst du wirklich, mir würde jemand Glauben schenken? Man würde mich viel eher für noch verrückter erklären, als sie es ohnehin schon getan haben. Und dann würde man meine Kinder ächten.
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