Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
hatten alle von ihnen miteinander gemein: Sie waren ein stolzes Volk und verteidigten ihre Sippe bis aufs Blut!
Albert, Thiderich und Walther waren alarmiert. Als sie sich der Gruppe näherten, konnten sie erkennen, dass es sich um drei Männer und zwei Frauen handelte. Einer der Männer kam direkt auf sie zu.
»Heda, werte Herren. Es grüßen Euch der sagenhafte Spielmann Sibot und seine Gefährten.«
Albert ritt sogleich voran und erwiderte den freundlichen Gruß. »Seid gegrüßt, Spielmann Sibot. Sagt, wer seid Ihr Leute und woher kommt Ihr?«
Obwohl der erste Teil der Frage eigentlich überflüssig war, da weder Sibots Aussage noch die auffällig bunte Kleidung der ganzen Gruppe einen Zweifel daran ließen, dass es sich bei ihnen tatsächlich um Spielleute handelte, wusste Albert genau, was er tat. Schon seit Tagen hoffte er darauf, einer Gruppe vom fahrenden Volk zu begegnen, denn er ersehnte sich Nachrichten aus Hamburg. Doch so redselig diese Leute auf ihren Bühnen auch waren, so verschlossen waren sie ansonsten. Es schien grotesk, aber Albert musste zunächst einmal ihr Vertrauen gewinnen. Mit seiner Frage zeigte er deutlich, dass sein Interesse geweckt war, und gab Sibot gleichzeitig die Möglichkeit, sich wortreich und ausführlich vorzustellen; was dieser auch sofort ausnutzte.
»Habt Ihr etwa noch nicht von Sibot und seinen Gefährten gehört? Ihr müsst geradezu in einem Erdloch gelebt haben, edler Mann. Jedes Kind, jede holde Jungfrau und jeder mutige Recke, der etwas auf sich hält, wurde unsereins schon ansichtig. Wir bringen Tränen der Freude und des Leides mit uns, sodass Ihr denken werdet, Ihr selbst wärt ein Ritter des Königs!« Mit einer schwungvollen Verbeugung beendete Sibot seine Rede, die ihm von den Lippen floss, als hätte er sie bereits unzählige Male aufgesagt.
Zu Walthers und Thiderichs Erstaunen ging ihr Freund voll und ganz auf den Spielmann ein und klatschte bewundernd in die Hände. Mit auffordernder Geste animierte Albert seine Reisegefährten sogar, es ihm gleichzutun.
Der Spielmann strahlte übers ganze Gesicht, denn Applaus war sein Lebenselixier.
Albert nutzte diese Stimmung, indem er ihn fragte: »Sagt, Sibot, woher seid Ihr gekommen? Wo durften sich die Menschen das letzte Mal an Eurer Kunst erfreuen?«
Der noch immer lächelnde Sibot antwortete nun bereitwillig. »Wir sind in den vergangenen Wochen weit gereist. Zuletzt waren wir in Beckdorf. Vor zwei Tagen haben wir dann das Kloster Harsefeld passiert. Davor haben wir unser Glück auf den Burgen Horneburg und Moisburg versucht, und davor erfreuten wir die Städter von Hamburg, Buxtehude und Stade mit unserer Kunst. Jetzt sind wir auf dem Weg zur Burg Vörde.«
Albert horchte auf. Hamburg! Sie waren tatsächlich in Hamburg gewesen. Möglicherweise wussten sie etwas über die Ereignisse in der Stadt. Gerade, als Albert danach fragen wollte, schlug Sibot den drei Männern vor, das Nachtlager zu teilen. Dieser Vorschlag war keinesfalls unüblich. Häufig schlossen sich einzelne Reisende fremder Gruppen für die Nacht zusammen, um so vor Überfällen geschützt zu sein. Da es sowieso bald dämmern würde, willigten die Männer ein. Wenige Augenblicke später hatten sie die Pferde versorgt und saßen mit den Spielleuten am Feuer. Wie sich herausstellte, waren die beiden Frauen Sibots Schwester und sein Eheweib. Die zwei verbleibenden Männer stellten sich als Brüder heraus, deren Ähnlichkeit wahrhaft verblüffend war. Beide hatten die gleichen schiefen Zähne und jeweils nur ein abstehendes Ohr. Albert fand, dass sie einfach unglaublich komisch aussahen.
Die Frauen hingegen waren beide sehr hübsch. Sibots Schwester ähnelte ihrem Bruder sehr. Beide besaßen sie dunkles, fast schwarzes Haar, einen ganz kleinen Höcker auf der Nase und elegant geschwungene Brauen über den braunen Augen.
Sibots Eheweib hatte langes, feuerrotes Haar und überragte ihren Gemahl um eine halbe Haupteslänge. Sie war nicht sonderlich zierlich oder fein, doch ihre hellblauen Augen hatten etwas Anmutiges und zogen ihr Gegenüber sofort in ihren Bann. Sibot stellte sie als Judda vor.
Dieser Abend war weit unterhaltsamer, als es die vorangegangenen Abende gewesen waren. Sibot und Judda konnten wunderbar erzählen; was wohl auch mit ihrer Tätigkeit als Schausteller zu erklären war. Manchmal vermochten Thiderich, Walther und Albert kaum zu unterscheiden, ob die Eheleute gerade eine Geschichte zum Besten gaben, die sie selbst erlebt
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