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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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hatten, oder ob sie bloß aus den Liedern der Minnesänger schöpften. Es war schlussendlich auch nicht wichtig. Die Spielleute verstanden es wahrlich, ihren Weggefährten Abwechslung zu verschaffen. Durch weiche Blicke unterstrichen sie das Gute und mit wilden Gesten das Böse. Die Flammen des Feuers warfen zusätzlich unheimliche Schatten auf ihre verzerrten Gesichter, was der Geschichte wahrlich zugutekam. Wenn Albert, Thiderich und Walther nicht gerade zwischen nervenaufreibender Spannung oder aufkeimender Traurigkeit hin- und hergezerrt wurden, hielten sie sich vor lauter Gejuchze die Bäuche. Besonders Albert musste sich zwanghaft zurückhalten, nicht zu heftig zu lachen, da sich ansonsten seine Wunden am Bauch schmerzlich bemerkbar machten.
    Irgendwann beendeten Sibot und Judda ihr Schauspiel und setzten sich ebenso ans Feuer.
    Die stille Schwester Sibots hatte inzwischen etwas zu essen bereitet. Alle nahmen sich dankbar von der köstlichen Speise, und es kehrte Ruhe ein.
    Albert entschied, dass dies der richtige Moment für die in ihm schwelende Frage war. »Sagt, Ihr Spielleute, vorhin erwähntet Ihr, dass Ihr in Hamburg gewesen seid. Erzählt uns davon, was hat sich dort zugetragen?«
    Sibots Gesicht erhellte sich sofort, und er fing an mit den Händen zu gestikulieren, da sein Mund noch zu voll zum Sprechen war. Er schluckte schnell alles herunter, um dann zu berichten, was er schon fast wieder vergessen hatte. »In Hamburg ist uns wahrhaftig Merkwürdiges widerfahren. Ich sage Euch, das war ein Trubel.«
    Albert, Thiderich und Walther blieb das Essen fast im Halse stecken. Was würde der Spielmann jetzt berichten?
    »Tatsächlich?«, sagte Albert so gelassen wie möglich. »Ich bin gespannt, was gab es denn so Aufregendes?«
    »Es ist ungefähr vier oder fünf Wochen her«, begann Sibot seine Erzählung. »Wir spielten auf dem Markt am Hafen. Das Wetter war uns hold, und die Leute kamen in Scharen. Jung und Alt waren zugegen, und sie waren uns wohlgesinnt. Auch eine edle Dame von wunderschönem Antlitz mit ihrer kleinen Tochter erfreute sich an meinem Spiel. Das Kind war ihr Ebenbild. Es hatte fast goldenes Haar.«
    Albert sog scharf die Luft ein. Konnte es tatsächlich sein, dass Sibot von Ragnhild und Runa sprach? Wer sonst hatte solch hellblondes Haar? Die Aufregung ließ ihn innerlich beben.
    »Ich erinnere mich noch so gut an sie, weil kurze Zeit später ein schreckliches Unglück geschah.«
    Da war es um Albert geschehen. Er sprang auf und lief zu Sibot, um sich kurz vor ihm auf die Knie fallen zu lassen und ihn an seinem Mantel zu packen. »Erzählt weiter, Spielmann. Was ist dann geschehen?«
    Der erschrockene Sibot wollte zunächst innehalten und wich ein kleines Stück vor Albert zurück, doch dann sah er in den Augen seines Gegenübers echte Verzweiflung aufblitzen. Mit vorsichtigen Worten fuhr er fort. »Die hübsche Dame verschwand ganz plötzlich. Ich konnte erkennen, dass sie erblasst war. Da ich auf meinem Wagen stand, war es mir möglich zu sehen, dass sie in Richtung der Kaimauer lief. Dort blieb sie stehen. Nur einen Moment später erhob sich ein großes Geschrei. Ich musste mein Spiel unterbrechen, da die Massen zum Wasser liefen. Die edle Dame war gesprungen. Hinterher wurde mir erzählt, dass sie gesprungen sei, weil ihre große Liebe in der Fremde verschollen und ihr Herz daraufhin schwermütig geworden war. Das blonde Mädchen fing an zu weinen und wurde gleich darauf von einer anderen Dame weggeführt.«
    »Nein, nein, nein. Das darf einfach nicht sein!«, flehte Albert, der Verzweiflung nahe. »Ragnhild, was hast du getan?« Er ließ Sibots Mantel los, stand auf und vergrub seine Hände in seinem Haar. Von den schlimmsten Vorahnungen geplagt, begann er vor dem Feuer auf und ab zu gehen.
    Dann war es Thiderich, der das Wort ergriff.
    »Was war dann? Erzählt weiter. Wurde die Dame gerettet?«
    Sibot schaute zwischen den Männern hin und her. Er war sichtlich verwirrt.
    Judda gab schließlich die ersehnte Antwort. »Ja, sie wurde gerettet.«
    Albert drehte sich ruckartig um und schaute auf Judda. »Sie lebt? Ragnhild lebt? Sagt das noch einmal.«
    »Ihr kennt sie?«, wollte Judda wissen.
    Nun hatte es keinen Sinn mehr zu leugnen. »Ja«, gestand Albert. »Die Dame Ragnhild ist meine Gemahlin und das blonde Mädchen meine Tochter.« Noch während er sprach, holte er das kleine Ledersäckchen mit der hellblonden Haarsträhne heraus und zeigte es den Spielleuten.
    Judda fühlte sofort

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