Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
meine Braut erst einmal bei mir ist, muss sie jeden Tag etwas Gutes für mich kochen. Außerdem soll sie mir dann auch solche Gewänder schneidern, wie Ihr eines tragt. Und wenn sie nicht gehorcht, dann bringe ich ihr mit meinem Gürtel Benehmen bei!«
Symon von Alevelde begann schallend zu lachen. »Das ist mein Sohn. Er weiß genau, was er will. Die Brut der Dame Ragnhild sollte besser schon mal zusehen, dass sie schnell ein fügsames Eheweib wird.«
Alle Schwestern standen um das Bett herum, als die weise alte Frau ihren letzten Atemzug tat. Keine von ihnen konnte ihre Tränen zurückhalten. Ragnhild war elend zumute.
Mit dem Tod der Magistra starb eine wundervolle Frau. Ihr Wesen war voller Gerechtigkeit und Güte gewesen; und mit ebendiesen Eigenschaften hatte sie das Kloster geführt. Einzig der Gedanke, dass sie sich nun in die Hände Gottes begeben hatte, linderte den Schmerz der Schwestern. Auch Ingrid zeigte ungeniert ihre Trauer; und diese schien sogar ehrlich zu sein.
Bereits am nächsten Tage saßen die ältesten Schwestern zusammen, um eine neue Magistra zu wählen. Es galt, möglichst schnell wieder eine Vertreterin zu finden, die das Kloster und seine Geschäfte nach außen hin leitete und gleichzeitig das Bindeglied zwischen dem Kloster und dem Domdekan darstellte.
Die Wahl verlief nahezu still. Ein heimlicher Betrachter hätte denken können, dass es ein vorangegangenes Abkommen zwischen den Schwestern gegeben haben musste, doch das war ein Trugschluss. Eine jede Begine tat ihre Wahl aus der vollen Überzeugung, die für sie einzig richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sie vertrauten ihrer neuen, wenn auch noch sehr jungen Magistra und waren zuversichtlich, dass sie eine würdige Nachfolgerin gefunden hatten.
Nur eine einzige Schwester war davon überzeugt, dass mit der neuen Magistra eine schwere Zeit auf das Kloster zukommen würde. Ragnhild kannte das wahre Gesicht der Frau, die sich all die Jahre erfolgreich vor ihren Mitschwestern hatte verstellen können. Sie selbst war noch nicht lange genug im Kloster, um überhaupt für die Wahl berücksichtigt zu werden. Es blieb ihr also nichts übrig, als tatenlos zuzusehen, wie ihr Schicksal eine schreckliche Wende nahm.
Ingrid war endlich am Ziel! Sie hatte die höchsten Würden erhalten, die eine Frau in ihrer Situation jemals erreichen konnte. Nie hätte sie sich bei ihrem Eintritt ins Kloster vor fast sechs Jahren träumen lassen, dass ihr Leben nach der schrecklichen Zurückweisung Alberts noch einmal eine solche Wende nehmen würde. Die Freude darüber, endlich die Anerkennung zu erhalten, die ihr damals verwehrt worden war, als man ihr die Möglichkeit genommen hatte, Eheweib und Mutter zu werden, wurde ihr nun durch das Amt der Magistra wieder zurückgegeben. Und als ob das noch nicht genug Grund zur Freude gewesen wäre, ermöglichte ihr die neue Stellung sogar noch die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Es war sozusagen der Honig in ihrer Speise; denn von nun an gab es nichts mehr, das zwischen ihr und Ragnhild stand.
Auch wenn alle Beginen-Schwestern das Kloster theoretisch jederzeit wieder verlassen durften, wusste Ingrid, dass es um Ragnhild in Wahrheit anders stand. Der Rat hatte ihren Eintritt ins Kloster gemeinschaftlich verfügt, und ein Austritt würde somit ebenso der Zustimmung des Rates bedürfen. Ragnhild hatte ihre Glaubwürdigkeit verloren. Würde sie tatsächlich versuchen Ingrid beim Rat anzuschwärzen, um ihr entkommen zu können, würde man ihr mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Glauben schenken. Sie hatte ihre Feindin endlich dort, wo sie sie immer haben wollte – in ihren unerbittlichen Fängen!
Diese Tatsache beflügelte Ingrid zu den düstersten Gedanken. So düster, dass die Magistra fast über ihre eigene Bosheit erschrak. Gleich am nächsten Tage, das nahm sie sich ganz fest vor, würde sie einen dieser Gedanken in die Tat umsetzen.
Ragnhild eilte geschwind durch die Gänge des Klosters. Sie wollte Ingrid, die sie soeben durch eine der jüngeren Schwestern zu sich befohlen hatte, auf keinen Fall warten lassen. Außerdem nahm sie sich fest vor, ihr demütig und folgsam gegenüberzutreten und sich nicht reizen zu lassen. Die neue Magistra sollte keinen Grund des Tadels an ihr finden. Seit Hildegards heimlichem Besuch im Kloster hatte sich etwas in Ragnhild verändert. Obwohl sie ihre geliebten Kinder hatte zurücklassen müssen, konnte sie mittlerweile damit leben, eine einfache Begine zu sein und
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