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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Ragnhild.« Die vorher angewandte höfliche Anrede war plötzlich verschwunden. »Auch wenn du es noch so geschickt hinter deiner Unschuldsmiene zu verstecken versuchst, ich kann dennoch sehen, wie gerne du mir an den Hals springen würdest. Es muss dich schrecklich ärgern, dass du nun nicht mehr auf mich herabblicken kannst. Dein schöner Gemahl ist tot. Deine Würden als Kaufmannsfrau sind verschwunden. Du bist nur noch eine Begine, die jetzt unter meiner Führung lebt. Na, wie fühlt sich das an?« Ingrid redete sich regelrecht in Rage. Es gab nichts, das Ragnhild hätte besser oder richtiger machen können, um diese Situation zu beruhigen. Ihr Schweigen machte Ingrid wütend und ihr Reden ebenso. So blieb ihr einzig und allein, den Wutanfall abzuwarten.
    Ingrid nahm einen weiteren tiefen Zug aus dem noch immer dampfenden Becher. Mittlerweile schien sich ein leichter Glimmer in ihr auszubreiten, denn ihre Worte wurden zäher und ihre Zunge merklich schwerer. »Du hast wohl gedacht, dass du mich damals für alle Zeit besiegt hast, was? Du und Albert und auch seine törichten Eltern Conradus und Mechthild, ihr alle habt wohl gedacht, dass ihr so mit uns von Horborgs umspringen könnt, was? Aber wir lassen uns eine solche Behandlung nicht gefallen!«
    Nahezu unaufhörlich prasselten die Worte auf Ragnhild ein. Diese hatte zunehmend Mühe, der wahrhaft angetrunkenen Ingrid zu folgen. Sie spürte, wie das lallende Geschwätz der Magistra sie langsam provozierte. Immer wieder musste sie sich ermahnen, an ihren guten Vorsätzen festzuhalten und sich nicht reizen zu lassen.
    »Ach, wenn du nur wüsstest … Eigentlich bist du ja noch ganz gut weggekommen … bei unserem Pakt. Schließlich hättest du jetzt auch tot sein können … Mir wäre es recht gewesen, wenn du ersoffen wärst … Heseke musste dich ja unbedingt retten … wahrscheinlich verstehst du dummes Ding kein Wort …«
    Nun wurde es Ragnhild endgültig zu viel. Wütend hob sie den Blick und ging einen Schritt auf Ingrid zu. Mit bedrohlich kontrollierter Stimme sprach sie: »Wenn Ihr glaubt, dass ich jetzt weinend vor Euch zusammenbreche, weil Ihr mir gerade eröffnet habt, dass ich das Opfer eines hinterhältigen Plans geworden bin, dann muss ich Euch wohl enttäuschen. Ich bin bereits bestens über die Machenschaften Eures Vaters, die Vater Lamberts sowie die der Eheleute vom Berge informiert. Und trotzdem habe ich mich entschlossen, hier im Kloster zu bleiben. Ich bleibe und ergebe mich Euch – egal, was für Unlauterkeiten Ihr noch mit mir vorhabt. Ihr könnt Euch die vielen Worte also sparen, werte Magistra !« Die letzten beiden Worte spuckte Ragnhild ihr regelrecht vor die Füße. Ihr Kampfesgeist war geweckt. Böse funkelte sie ihrer Feindin ins Gesicht.
    Damit hatte Ingrid nicht gerechnet. Für einen kurzen Moment hielt sie inne. Zunächst war sie verdutzt, dann kurz darauf fast enttäuscht. Doch ihr Missvergnügen darüber, dass Ragnhild bereits Bescheid wusste und keinerlei Anzeichen von Verzweiflung oder Trauer zeigte, verwandelte sich schon bald darauf in Wut. »Wer hat dich in die Pläne eingeweiht? Woher weißt du das alles? Sag es mir gefälligst, ansonsten werde ich …«
    »Ansonsten werdet Ihr was ?«, unterbrach Ragnhild die Magistra. »Zum Rat laufen, um Euch über mich zu beschweren? Die wären sicherlich sehr interessiert daran zu erfahren, was Ihr getan habt. Nur zu, lauft hinaus und ruft in die Stadt hinein, dass Ihr mich vergiftet habt und Heseke mich in das Nikolaifleet gestoßen hat, nur um an meine Kinder als Erben heranzukommen. Ruft es entweder heraus oder schweigt besser still, wenn Ihr nicht dumm seid. Viele der altehrwürdigen Ratsherren sind gegen Conrad und für Albert; glaubt nicht, dass ich das nicht wüsste. Ihr seid Euch sicher, dass der Rat mich für verrückt hält und mir keinen Glauben schenken würde? Aber wollt Ihr es tatsächlich darauf ankommen lassen?« Ragnhild hatte alles riskiert. Sie wusste, dass ihre Drohung dünn war, doch sie entsprach der Wahrheit.
    Ingrid war nun vollends verstummt. Die eben noch so stille, scheinbar unterwürfige Ragnhild schaute ihr nun angriffslustig ins Gesicht. Das Blatt schien sich langsam zu wenden. Noch immer rang die Magistra um Fassung.
    Ragnhild hingegen war bereits sehr weit weg von ihren guten Vorsätzen, sich züchtig und unauffällig zu benehmen. Ingrid hatte sie mit ihren Worten so furchtbar gereizt, dass es nun kein Zurück mehr für sie gab. Seit dem Tag, da

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