Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
zu, der einen ähnlich geschockten Gesichtsausdruck wie Margareta zeigte.
»Ihr wollt Alheidis und nicht Margareta zur Frau nehmen?«, fragte er ungläubig.
»Ganz genau, ich bitte hiermit um die Hand Eurer jüngsten Tochter.« Aus dem Augenwinkel konnte Albert erkennen, dass Alheidis nun doch errötete. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft senkte sie tatsächlich den Blick. Albert lächelte darüber.
Der Vater war sichtlich enttäuscht, doch wirklich überrascht war er nicht. Er wusste ganz genau, dass bisher nur deshalb kein Mann Interesse an Margareta gezeigt hatte, weil sie sich immer so furchtbar aufbrausend aufführte. Sie war ein Hitzkopf, und das machte sich ständig bemerkbar. Fortwährend fing sie Streit mit ihren Schwestern an. Er fühlte sich mittlerweile schon fast zu alt dafür, immerzu zwischen den Mädchen zu schlichten, und wünschte sich von ganzem Herzen, dass sie das Haus endlich verließ. Nach Überwindung des ersten Schocks hatte sich der Vater wieder gefasst. Er war ganz offensichtlich noch nicht bereit, die Möglichkeit einfach verstreichen zu lassen, seine älteste Tochter heute doch noch zu verloben. »Alheidis ist ein gutes Kind, aber auch noch sehr jung. Warum wollt Ihr Euch nicht eine Gemahlin ins Haus holen, die ein wenig mehr Erfahrung in der Führung eines Haushaltes hat? Meine Margareta wird eine strenge Hausherrin sein. Sie ist gesund und kräftig und nicht so dünn wie meine jüngeren Töchter. Sicher wird sie Euch viele starke Söhne gebären.«
Albert hörte höflich den Worten des Vaters zu. Als dieser geendet hatte, sprach er jedoch mit deutlicher Stimme: »Meine Entscheidung steht fest. Sie fällt auf Eure jüngste Tochter. Ich möchte sie oder keine von ihnen.« Dieses eine Mal, nahm sich Albert vor, würde er seine Macht ausspielen und es ausnutzen, dass er so gut wie jede Jungfrau Hamburgs haben konnte. Albert wusste, der Vater würde ihm seine Bitte nicht abschlagen. Eine Verbindung zu seiner Familie war einfach zu kostbar.
Ohne weitere Diskussion willigte der Kaufmann ein.
In diesem Moment gipfelten die Unhöflichkeiten Margaretas in einem Ausruf der Wut. »Vater! Wie kannst du das zulassen? Nicht sie, sondern ich …«
Da erreichte die Geduld des Vaters ein jähes Ende. Im nächsten Moment drehte er sich brüsk um und flog regelrecht mit zwei großen Schritten zu seiner aufmüpfigen Tochter. Blitzschnell holte er aus, und ehe sich Margareta versah, fuhr der Handrücken ihres Vaters erneut über ihre bereits gerötete linke Wange. Sie wurde so sehr von dem Schlag überrascht, dass sie ins Taumeln geriet und stürzte. Zu ihrer grenzenlosen Scham war das noch nicht das Ende. Wutentbrannt zeigte ihr Vater mit dem Finger auf sie und sagte vor allen Anwesenden, was ihm seit so langer Zeit auf den Lippen lag. »Mäßige dich gefälligst, Tochter, ehe ich mich vergesse. Du allein trägst Schuld daran, wenn du eines Tages als alte Jungfer ohne Ehemann und Kinder endest. Kein Mann von Stand will ein Weib wie dich. Dein freches Mundwerk werde ich dir schon noch stopfen, du missratene Dirne! Geh hinauf!«
Tränen des Entsetzens rannen Margareta übers Gesicht. Noch nie hatte der Vater so etwas Furchtbares zu ihr gesagt. Noch unter Schock rappelte sie sich auf und flüchtete aus dem Raum.
Dann drehte sich der Mann, der noch eben eine so hasserfüllte Rede geführt hatte, zu Albert um. In einem weit freundlicheren Ton sagte er: »Also gut, Ihr habt Eure Wahl getroffen. Meine Tochter Alheidis wird Euch sicher ein gutes Eheweib sein. Ich freue mich, dass wir unsere Familien auf diese Weise verbinden werden. Lasst uns jetzt über die Einzelheiten sprechen.« Die Männer setzten sich einander gegenüber an den Tisch. »Nimm die Mädchen mit und lass uns allein«, richtete der Kaufmann ein letztes Wort an seine Frau.
11
Ragnhild stand vor der Tür ihres Hauses und streichelte ihren leicht gewölbten Bauch. Die Sonne war herausgekommen, und nichts hatte sie mehr drinnen halten können. Sie reckte ihr Gesicht dem morgendlichen Licht entgegen und schloss die Augen. Es war Anfang Juni, und die Sonnenstrahlen wärmten bereits am frühen Morgen mit einer ungeheuren Kraft. Nie hätte Ragnhild es für möglich gehalten, doch seitdem sie wusste, dass sie wieder ein Kind erwartete, empfand sie so etwas wie Glück. Sie konnte es nicht erwarten, das Ungeborene endlich in den Armen zu halten und ihm all ihre Liebe zu schenken. In einer Zeit, da sie ihrer drei Kinder und auch Alberts beraubt
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