Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
worden war, fühlte sie sich häufig, als müsste sie an all der aufgestauten Liebe in sich ersticken.
Die Zwillinge Johannes und Godeke wurden ihr mit jedem Tag fremder, und auch Runa hatte Ragnhild seit ihrer Hochzeit nur zweimal zufällig und leider nur von Weitem gesehen. Nun jedoch war sie schwanger und würde bald das erste Kind von Symon gebären. Ragnhild hoffte inständig darauf, dass es ein Mädchen werden würde, denn das sollte ihr länger erhalten bleiben, als es bei Jungen häufig der Fall war. Schnell nahmen die Väter ihre Söhne mit auf Reisen, damit sie ihr Handwerk erlernen konnten. Ein Mädchen jedoch fand weniger Anklang bei den Vätern und blieb bis zur Hochzeit meistens ausschließlich bei ihrer Mutter im Haus.
Die letzten Wochen waren für Ragnhild nur langsam vergangen. Obwohl sie ihr Schicksal freiwillig gewählt hatte, empfand sie anfangs nur Verachtung für ihren Gemahl. Seine überaus vornehmen Kleider täuschten leider nur entfernte Betrachter über seine Körperausdünstungen hinweg. Doch nicht nur sein Äußeres und sein Gestank stießen sie anfangs ab, sondern auch seine herrschsüchtige Art. Die offensichtlich allgegenwärtige Angst Symons davor, dass sein hübsches Weib einem anderen Mann – ganz besonders Albert – schöne Augen machen könnte, ließ ihn sie regelrecht einsperren. In dieser ersten Zeit ihrer Ehe fühlte sich Ragnhild darum mehr als Gefangene denn als Ehefrau.
Symon hatte die Abneigung seines Weibes in den ersten Wochen zwar gespürt, dies aber nicht als wirklich bemerkenswert empfunden. Noch niemals hatte eine Frau seine Gesellschaft geschätzt oder sich ihm gar lustvoll hingegeben. Er hatte sich daran gewöhnt, dass der Mann diesen Teil der Ehe von seinem Weib einzufordern hatte; so wie es auch sein gutes Recht war. Dann aber begannen die Eheleute sich langsam aneinander zu gewöhnen.
Ragnhild wusste, dass sie anfangen musste, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden, wenn sie jemals wieder glücklich sein wollte. Sie hoffte darauf, dass die Geburt des Kindes die Situation zwischen ihnen entspannen würde, und zwang sich regelrecht dazu, ihre Abscheu in eine Art der Akzeptanz zu verändern; doch lieben tat sie Symon nicht.
Zugleich mit dem Anwachsen des Bauches seines Weibes wurde auch Symon etwas zugänglicher. Er wusste, dass er seine Gemahlin nicht für immer im Haus würde einsperren können, und versuchte redlich, sich von den Dämonen der Eifersucht zu befreien. Die daraufhin langsam und schwerlich erarbeitete Vertrautheit der Eheleute veranlasste Symon dazu, Ragnhild wieder mehr Freiheiten zuzugestehen. Zunächst erlaubte er ihr, zusammen mit der ewig mürrischen Magd Grit zum Wochenmarkt zu gehen, und dann irgendwann sogar, die häufigen Kirchgänge allein zu bestreiten.
Mit diesem Entgegenkommen hatte sich Ragnhilds Leben schon sehr verbessert. Ihre Wünsche waren mittlerweile bescheidener geworden und ihre Dankbarkeit für jedes noch so kleine Zugeständnis groß. Immer häufiger nahm Symon sie mit zu Voltseco und ließ ihr schöne Kleider machen. Er wollte, dass sie hübsch aussah, damit er sich mit ihr schmücken konnte. Vielleicht wollte er ihr sogar tatsächlich eine Freude machen, doch es war für ihn nicht zu erkennen, ob ihr all die schönen Kleider etwas bedeuteten.
Auch er selbst hatte irgendwann angefangen, sich über den feinen Zwirn auf seinem Leib hinaus zu pflegen. Nachdem Ragnhild ihm zu verstehen gegeben hatte, dass sie es schätzte, wenn er nicht allzu stark stank und sein Barthaar stutzte, schien er irgendwann sogar selbst Gefallen daran zu finden, sich herzurichten. Sehr zur Freude Ragnhilds begann er sogar eines Tages, Minzeblätter zu kauen.
Es fiel ihr nun leichter, sich ihm hinzugeben und die unzähligen Male, die er des Nachts zwischen ihre Schenkel wollte, zu erdulden. Die Hoffnung darauf, schwanger zu werden, hatte sie dafür stark gemacht, und nun, da sie es war, überkam sie gänzlich neuer Lebensmut. Das Kind gab ihr die Kraft für einen Kampf, der längst überfällig war; und so fing sie eines Nachts tatsächlich an, dafür zu beten, dass ihre Gedanken bald von Alberts Gesicht befreit sein würden, damit sie endlich Frieden fand.
Ragnhild stand noch immer an der Tür. Die Arme in die Seiten gestützt, atmete sie noch einmal tief ein und ging dann zurück ins Haus. Sie hätte noch Stunden so dastehen können, doch dann hätte es sehr wahrscheinlich nicht mehr lange gedauert, bis Grit sie entdeckt hätte und zu
Weitere Kostenlose Bücher