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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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unterbrach er den überschwänglichen Redeschwall des Vaters und sagte: »Hört, edler Kaufmann Grove, Ihr könnt Euch Eure Worte sparen.«
    Alberts Gegenüber bekam einen versteinerten Gesichtsausdruck. »Was genau soll das bedeuten?«
    »Das erkläre ich Euch gern. Die lieblichsten Jungfrauen der ganzen Stadt sind mir angeboten worden, und sie alle haben mich verzaubert. Doch keine ist mir so lieb und teuer wie Eure Tochter.« Albert lächelte ein wenig wegen seiner übertriebenen Worte, doch er fand, es gehörte sich so, wenn man um eine Braut warb.
    Diese unerwartete Entscheidung löste zunächst ein ungläubiges Staunen im Gesicht des Vaters aus, auf das kurz darauf ein unkontrolliertes Lachen folgte. Es war deutlich zu erkennen, dass er nicht mit einer sicheren Zusage dieses edlen Bewerbers gerechnet hatte – und schon gar nicht damit, dass dieser sich sofort entscheiden würde.
    »Albert von Holdenstede, wie ich mich freue. Liebend gerne gebe ich Euch mein Kind in die Hände.«
    Noch bevor Albert etwas erwidern konnte, entschuldigte sich der aufgeregte Vater und verschwand aus der Wohnstube. Wenig später kam er mit seiner Gemahlin und den drei Töchtern zurück. In Anwesenheit aller baute er sich vor seiner Familie auf. »Meine Lieben«, fing er feierlich an zu erklären, »unser edler Gast hat sich soeben entschieden, eine Tochter dieses Hauses zu ehelichen!«
    Sofort fingen die Mädchen an, ausgelassen zu lachen, und die Mutter weinte vor lauter Glück.
    Albert war indes zwar etwas überrumpelt davon, dass der Vater die Nachricht sofort überbracht hatte, ohne vorher die Einzelheiten der Mitgift mit ihm zu besprechen, doch er konnte sich ebenso an der Heiterkeit der Familie erfreuen. Ob es jetzt oder später verkündet wurde, war Albert eigentlich gleich, und so sah er sich seine Auserwählte noch einmal gründlich an.
    Jedes einzelne der Mädchen reagierte auf ihre Weise. Alheidis stand einfach nur da, den Kopf würdevoll erhoben, die geschlossenen Lippen zu einem vollen roten Halbmond geformt. Ihr Blick traf den von Albert, und sie lächelten einander ohne Scheu an.
    Elizabeth hingegen hatte die Hände laut lachend vor den Mund geschlagen und wandte sich Margareta zu.
    Diese jubelte ebenfalls etwas zu laut. Nach einem strengen Blick des Vaters besann sie sich jedoch ihrer damenhaften Erziehung, straffte ihren Körper und führte in genau dem Moment, als Albert ihr den Blick zuwandte, einen formvollendeten Knicks durch. Gleich darauf schritt sie näher an Albert heran und streckte ihm auffordernd die Hand zum Kuss entgegen.
    Vater und Mutter hatten sich dicht hintereinander aufgestellt und lächelten sich zufrieden an. Mit auffordernden Gesten sagte der Vater zu Albert: »Nur zu, nehmt die Hand Eurer zukünftigen Braut und begrüßt einander.«
    Albert stockte der Atem. Ihm wurde schlagartig klar, dass die Situation eine seltsame Wende genommen hatte. Ohne dass er es je gesagt hatte, ging die Familie von Grove davon aus, dass er die älteste Tochter des Hauses zu ehelichen wünschte. Albert jedoch hatte niemals vorgehabt, Margareta zur Frau zu nehmen. Seine Wahl war auf Alheidis gefallen! So unangenehm es auch war, er musste dieses Missverständnis sofort aufklären. »Bitte verzeiht, meine Damen …«
    Sofort hörten die Mädchen auf zu reden und blickten Albert fragend an. Noch immer streckte Margareta Albert ihre Hand entgegen. Doch dieser ging einfach an ihr vorbei. Auch Elizabeth passierte er, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dann stand er vor Alheidis.
    Sie verhielt sich genau so, wie Albert es von ihr gedacht hatte. Es gab keinen gesenkten Blick, keine gespielte Scham, sie stand einfach da, legte den Kopf leicht schief und blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
    Albert lächelte sie an, und sie lächelte zurück. Allerdings nicht wie bisher mit geschlossenem Mund, sondern diesmal aus vollem Herzen. In diesem Augenblick verstand Alheidis, dass Albert tatsächlich sie meinte. Zeitgleich ging er ohne Worte vor ihr auf die Knie, nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen.
    Im gleichen Augenblick hörte man nur noch das ungläubige Prusten Margaretas. Gekränkt fuhr sie Albert ungeniert an: »Ihr nehmt sie ? Dieses dumme Ding? Ich bin die Älteste hier im Hause; Ihr solltet mich nehmen. So war es von meinem Vater gedacht, und so muss es geschehen!«
    Darauf erhob sich Albert wieder. Gerne hätte er Margareta für ihre Frechheit getadelt, doch das stand ihm nicht zu. So wandte er sich ihrem Vater

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